Zurück zur Internet Library

 

Wolf-Ekkehard Lönnig:

Antwort an meine Kritiker

 

 

Es wäre jedoch vollkommen verkehrt, wollte man die Richtigkeit einer wissenschaftlichen Theorie schlechthin nach der Zahl ihrer Anhänger beurteilen; denn die Kulturgeschichte lehrt uns viele Beispiele kennen, dass ganze Generationen von gelehrten Männern Behauptungen für wahr gehalten und mit dem Aufgebote höchsten Scharfsinnes verteidigt haben, welche heute ein Laie als unrichtig verlacht.

Prof. A. Fleischmann (Zoologie)

 

Es gab unter den Genetikern von Weltruf entschiedene Gegner der Evolutionstheorie. Vor allem waren es [der Österreicher Gregor Mendel1,] die Engländer Galton und Bateson, der Däne Johannsen und einige Forscher aus der schwedischen Genetikerfamilie Nilsson, dessen Buch "Synthetische Artbildung" von 1953 ein mit viel gründlichem Wissen geführter Kampf gegen die Evolutionstheorie ist [1von W.-E.L. ergänzt].

Prof. H. Wartenberg (Genetik)

 

In der Planmäßigkeit der Naturkörper sind, um es mit einem Worte Goethes auszudrücken, "Gottesgedanken" verwirklicht; auch von "Schöpfungsgedanken" hat man gesprochen, so der Embryologe K.E. von Baer, der die lebenden Wesen sogar mit besonderer Vorliebe "Gedanken der Schöpfung" nannte.

Prof. W. Troll (Botanik)
(Troll ist der größte Pflanzenmorphologe des 20. Jahrhunderts)

 

[Der Darwinismus] ist weiter nichts als die Verkörperung des Willensimpulses, die Planmäßigkeit auf jede Weise aus der Natur loszuwerden. So ist der Entwicklungsgedanke die heilige Überzeugung Tausener geworden, die aber mit einer vorurteilslosen Naturforschung gar nichts mehr zutun hat.

Prof. J. von Uexküll (Biologie)
(Begründer der Umweltlehre: Umwelt und Innenwelt der Tiere)

 

 

Inhaltsverzeichnis

1) Einleitung

2) Grundsätzliche Anmerkungen zu den beiden wesensverschiedenen Arten der Kritik

3) Einige Beispiele darwinistischer Intoleranz aus der Geschichte der Genetik

a) Zur Methode der persönlichen Diffamierung: Poultons Rufmordkampagne gegen Bateson

b) Die Reaktion des Neodarwinismus auf die Thesen Richard Goldschmidts

c) Ein "wahrer Darwinist" gegen die Genetik: Lyssenkos kriminelle Machenschaften

5) Weiter zur heutigen Wissenschaft: Die generellen Empfehlungen zum Umgang mit Kritikern von Edwin T. Jaynes

6) Ein vorläufig letzter Einwand

7) Zusammenfassung

8) Schlussbemerkung

9) Literaturangaben

 

 

1) Einleitung:

Nachdem ich mich detailliert mit den verschiedensten Einwänden gegen meine wissenschaftliche Position zum Ursprung des Lebens und der Arten auseinandergesetzt habe (vgl. z. B. http://www.we-loennig.de/), möchte ich mich im vorliegenden Aufsatz einmal etwas näher mit einigen grundsätzlichen Fragen zum Thema "Kritik" aus der gegenwärtigen und historischen Perspektive beschäftigen. - Beim Ausarbeiten dieses Beitrags ist mir jedoch zunehmend bewusst geworden, dass die Thematik eine solche Fülle bislang unbearbeiteten Stoffs enthält, dass er gut und gerne das Thema einer biologiehistorischen Dissertation bilden könnte. Im vorliegenden Aufsatz werden also nur einige Hauptpunkte diskutiert.

 

2) Grundsätzliche Anmerkungen zu den beiden wesensverschiedenen Arten der Kritik

Zunächst möchte ich kurz die beiden Arten der Kritik sowie meine Position dazu vorstellen, um dann als 3. Punkt meine bisherigen generellen Erfahrungen zum Thema Evolution und Toleranz zu erwähnen:

1. Sachkritik. Sachliche Gegenargumente sind grundsätzlich willkommen. Ich zähle solche Einwände zur "konstruktiven Kritik": Beide Seiten profitieren von Gesprächen, die unter gegenseitigem Respekt von der ernsten Absicht und dem ehrlichen Bemühen um Wahrheitsfindung getragen werden.

2. Ad-hominem*-Kritik ("Diffamierungskritik"). Persönliche Verunglimpfung, persönliche Beleidigung und Verleumdung sowie persönliche Diskriminierung und Diffamierung (also alle ad-hominem-Argumente) gehören nicht zu den Methoden einer sauberen und ehrlichen Wissenschaft (von der Verunglimpfung einer wahren und guten Sache einmal ganz abgesehen, die mit der Diffamierungskritik letztlich beabsichtigt ist). - Diejenigen, die zu solchen Mitteln greifen müssen, zeigen, dass sie (a) entweder nicht über echte Sachargumente verfügen, oder (b) dass sie sich ihrer eigenen Position zutiefst unsicher sind: Die aus der Kluft zwischen ideologischem Sollwert und biologischen Realitäten resultierende Frustration (samt Unvermögen, naturwissenschaftlich exakt argumentieren zu können) versuchen solche Kritiker durch Herabsetzung, Diskriminierung und Diffamierung des andersdenkenden Gesprächspartners zu kompensieren. Dabei kann auch eine gewisse Unsicherheit durch lückenhafte Kenntnis der zur Debatte stehenden wissenschaftlich-biologischen Fragen eine Rolle spielen.** Eine moralische Verpflichtung, auf Diffamierung zu antworten, besteht nicht. Unsachliche Kritik in Verbindung mit Diskriminierung und Verunglimpfung ist an sich mehr ein Fall für einen Juristen als für einen Naturwissenschaftler.#

Aber selbst unter der Voraussetzung einer ad-hominem-Kritik habe ich mich wiederholt bemüht, aus einer Serie unwahrer Anschuldigungen und naturwissenschaftlich eindeutig falscher Behauptungen, die eventuellen Sachargumente herauszugreifen und diese zu diskutieren (vgl. vor allem die Diskussion mit Herrn A., aber auch mit Herrn Prof. D. und anderen). Um bei Herrn A. zu bleiben: Er hat nach mehr als 20 ihm nachgewiesenen Sachfehlern keinen anderen Ausweg aus der bedrohlichen Infragestellung seiner materialistischen Ideologie mehr gesehen als die persönliche Diskussion mit mir abzubrechen (vgl. Wasserschlauch.html). Er meint aber, seine ad-hominem-Kritik auf anderer Ebene fortführen zu müssen.

Einige Freunde sind nun der Auffassung, dass es gut wäre, wenn ich auf alle [diese und weitere] aus sachlich-naturwissenschaftlicher Sicht falschen Vorwürfe und Behauptungen antworten und sie widerlegen würde, zumal dadurch u. a. einer Irreführung des Publikums durch Herrn A. der Riegel vorgeschoben wäre.

Nun würde ich mir schon allein aufgrund des letzteren Punktes wünschen, dass alle falschen Behauptungen gleichsam durch ein Autokorrektursystem sofort richtig gestellt würden (einschließlich meiner eigenen Unvollkommenheiten), mir sind jedoch in dieser Hinsicht zeitliche Grenzen gesetzt (von anderen wissenschaftlichen Aufgaben einmal abgesehen, habe ich in den letzten eineinhalb Jahrzehnten jedes Jahr zwischen ca. 54000 und 170000 Pflanzen im Rahmen mutationsgenetischer Programme ausgewertet) (vgl. überdies auch die grundsätzlichen, sehr gut begründeten und äußerst aufschlussreichen Kommentare von Herrn Prof. Jaynes zu derselben Frage unten).

Einen Rat von Edwin T. Jaynes möchte ich an dieser Stelle jedoch schon vorwegnehmen und wegen seiner grundsätzlichen Bedeutung später im größeren Zusammenhang wiederholen (alle Hervorhebungen im Schriftbild von mir):

...to anyone who has new ideas of a currently unconventional kind, I want to give this advice, in the strongest possible terms: Do not allow yourself to be discouraged or defected from your course by negative criticisms - particularly those that were invented for the sole purpose of discouraging you - unless they exhibit some clear and specific error of reasoning or conflict with experiment. Unless they can do this, your critics are almost certainly wrong, but to reply by trying to show exactly where and why they are wrong would be wasted effort which would not convince your critics and would only keep you from the far more important, constructive things that you might have accomplished in the same time. Let others deal with them; if you allow your enemies to direct your work, then they have won after all.

Das bedeutet allerdings, dass man manche falsche Aussagen bedauerlicherweise einfach stehen lassen muss, auch auf die Gefahr hin, dass uninformierte Personen zunächst irregeführt werden. Auf der anderen Seite, so meine ich, liegt jedoch soviel sachliche Gegenkritik zu falschen Auffassungen bereit (vgl. z.B. http://hanskrause.de/, meine oben schon erwähnte Adresse http://www.we-loennig.de/) und - unter Vernachlässigung gewisser über die biologischen Fragen hinausgehenden Anliegen des Discovery Instituts ("a research institute in Seattle that promotes conservative causes" - The New York Times, 8 April 2001) - http://www.discovery.org/crsc/fellows/Michael J. Behe), dass ich das Vertrauen habe, dass jedem gründlichen Wahrheitssucher genügend Tatsachenmaterial für eine eigene Urteilsbildung zur Verfügung steht. Dennoch bleibt ein Rest, mit dem man wohl leben muss und der von Jaynes wie folgt beschrieben wird:

Although the arguments of your critics are almost certainly wrong, they will retain just enough plausibility in the minds of some to maintain a place for them in the realm of controversy; that is just a fact of life that you must accept as the price of doing creative work.

Soweit Sie, lieber Leser, durch intolerante und herabsetzende Kommentare zu meinen Beiträgen und meiner Person beunruhigt sind, bitte ich Sie, sich mit sachlichen Fragen (weiterhin) direkt an mich zu wenden.

Generell möchte ich zur Toleranzfrage und Evolutionstheorie feststellen, dass ich in der nun schon rund vierzig Jahre währenden Diskussion mit Evolutionstheoretikern ein recht umfangreiches Spektrum von Meinungen und Positionen kennengelernt habe: Das Spektrum reicht von echter Toleranz (samt Respekt vor und in mehreren Fällen sogar Akzeptanz der wissenschaftlichen Position des vermeintlichen "Gegners") über zahlreiche Zwischenstufen bis zur oben schon erwähnten persönlichen Verunglimpfung, Diskriminierung und Verleumdung.

3. Ich möchte jedoch ausdrücklich hervorheben, dass ich im Gegensatz zu den soeben erwähnten Fällen in zahlreichen sachlichen Diskussionen bisher Toleranz bei der Mehrzahl der Evolutionstheoretiker festgestellt habe, so dass sich die folgenden Kommentare ausschließlich auf die Minderheit (wenn auch besonders im anglo-amerikanischen Sprachraum recht beachtlichen Minderheit) der Fanatiker bezieht, die mit den soeben erwähnten unehrlichen Methoden arbeitet. Ich meine, wir müssen heute sogar zwischen der Mehrheit der Evolutionstheoretiker unterscheiden, die alternativen naturwissenschaftlichen Ansätzen gegenüber grundsätzlich aufgeschlossen ist und einer extremen, wenn auch lautstarken, Minderheit, die sich der oben erwähnten unsachlichen Methoden bedient.

Solche Methoden extremer Darwinisten haben seit Huxley und Haeckel inzwischen eine fast 150jährige Tradition: Dazu einige Beispiele aus der Geschichte der Biologie:

 

3) Einige Beispiele für darwinistische Intoleranz aus der Geschichte der Genetik

a) Zur Methode der persönlichen Diffamierung: Poultons Rufmordkampagne gegen Bateson

Die Methodik der persönlichen Herabsetzung, Verleumdung, Verunglimpfung und Diskriminierung des wissenschaftlichen Gegners, ja bis zur Hass- und Rufmordkampagne gegen die "Wissenschaftlichkeit" und Persönlichkeit der Repräsentanten der unliebsamen naturwissenschaftlichen Position ist schon immer ein beliebtes Instrumentarium von Ideologen aller Couleur und Zeiten gewesen und findet sich in der Biologie besonders ausgeprägt noch bei einer (wenn auch nach wie vor beachtlichen) Minderheit von Vertretern das Darwinismus bis auf den heutigen Tag.

Ein instruktives Beispiel für die Vorgehensweise solcher Ideologen war die Verleumdungskampagne des überzeugten Darwinisten und Zoologen Edward B. Poulton (1856-1943) gegen William Bateson (1861-1926) als Vertreter des 'Mendelismus' und Verfasser mehrerer sachlicher darwinkritischer Arbeiten. Robert G. B. Reid, Professor für vergleichende Physiologie an der Universität Glasgow, fasst die Hauptpunkte der Poultonschen ad-hominem-Attacken 1985, pp. 206/207, wie folgt zusammen (alle Hervorhebungen im Schriftbild aller folgenden Zitate sind von mir):

Poulton's criticisms of the saltationists, neo-Mendelians and mutationists bordered on the vituperative. William Bateson was the focus of this attack, for writings 'injurious to Biological Science, and a hindrance in the attempt to solve the problem of Evolution'; for dogmatism concerning work with which he was evidently imperfectly acquainted; assumptions made on the slenderest evidence; the appropriation under the name of Mendel of results owed to Weismann; the exaggerated importance of Bateson's work on Variation, and Mendel's work; the contemptuous depreciation of other lines of investigation inspired by Darwin and Wallace. All of these resulted in a widespread belief among the ill-informed that the teaching of the founders of modern biology had been abandoned. Moreover, Poulton added that he had consulted 'a number of the leading zoologists and botanists in this country', who had agreed with his opinions without a single exception. 'Whoever studies the distinctions of geographical varieties closely and extensively will smile at the conception of the origin of species per saltum'. The creed thus closed with the axiom that only those with close and extensive personal experience of intraspecific varieties or population biology were in a position to make any judgements on evolution theory (und genau das hatte Bateson in langjährigen Studien aufzuweisen und wurde ihm dennoch von Poulton unehrlicherweise abgesprochen). As a general polemic Poulton's attack on Bateson has the familiar mixture of accusations of ignorance, unfair attribution of priority, dogmatism, irrelevance, monomania and sacrilege, backed with appeal to authoritative consensus. All are still to be found in responses of modern selectionism to its critics, but Poulton's essays are distinguished by a refreshing vigour and lucidity, together with originality of invective.

(Literaturnachweise bei Reid.) Hier eine freie (mehr sinngemäße) Übersetzung dieses vielleicht sprachlich nicht immer einfachen Abschnitts mit zusätzlicher Numerierung:

Poulton's Kritik der Saltationisten, Neo-Mendelisten und Mutationisten grenzte an Diffamierung. [Das grenzte nicht nur daran, sondern das w a r Diffamierung, Anm. von W.-E.L.]. William Bateson war der Mittelpunkt dieser Attacke, aufgrund [1.] von Schriften, die 'schädlich für die biologische Wissenschaft und eine Behinderung bei dem Versuch das Problem der Evolution zu lösen' waren; [2.] für seinen Dogmatismus in Bezug auf biologische Arbeiten, mit denen er offensichtlich nur mangelhaft vertraut war; [3.] wegen auf schwächsten Beweisgründen gemachten Annahmen; [4.] der Vereinnahmung von Resultaten im Namen Mendels, die Weismann zuzuschreiben waren; [5.] der übertriebenen Wichtigkeit von Batesons und Mendels Arbeit über die Variation; [6.] der verächtlichen Herabsetzung von anderen Untersuchungen, die von Darwin und Wallace inspiriert wurden. [7.] All das resultierte in dem weitverbreiteten Glauben einer schlecht informierten Leserschaft, dass die Lehre der Begründer der modernen Biologie verlassen worden war. [8.] Und außerdem fügte Poulton hinzu, dass er sich mit 'einer Anzahl führender Zoologen und Botaniker in diesem Land' beraten hatte, die seinen Auffassungen ohne Ausnahme zustimmten. [9.] 'Wer immer die Unterschiede der geographischen Varietäten genau und intensiv studiert, wird über die Vorstellung des Ursprungs der Species per Saltum lächeln.' [10.] Das Glaubensbekenntnis schloss folglich mit dem Axiom, dass nur diejenigen in der Lage seien, ein Urteil über die Evolutionstheorie abzugeben, die genaue und umfangreiche persönliche Erfahrungen mit intraspezifischen Varietäten oder der Populationsbiologie hatten [und genau das hatte Bateson in langjährigen Studien aufzuweisen und wurde ihm dennoch von Poulton unehrlicherweise abgesprochen.] [11.] Als generelle Polemik zeigt Poultons Attacke gegen Bateson die bekannte Mischung aus Ignoranz-Beschuldigungen, ungerechten Prioritätzuweisungen, Dogmatismus, Irrelevanz, Monomanie und Frevelhaftigkeit, und das ganze wurde noch unterstützt mit dem Appell auf den Konsensus der Autoritäten. [12.] Der moderne Selektionismus antwortet seinen Kritikern immer noch auf die gleiche Art und Weise, aber Poultons Essays zeichnen sich aus durch eine erfrischende Vitalität und Klarheit, gepaart mit der Originalität seiner Beschimpfungen.

Ich weiß nicht, ob es angesichts dieser darwinistisch-antiwissenschaftlichen Kampagne noch sinnvoll ist, von der "Originalität seiner [Poultons] Beschimpfungen" zu sprechen.

Heute können wir mit allem Nachdruck auf der Basis eines gesicherten genetischen und historischen Wissens unterstreichen, dass sich Poulton in Bezug auf Bateson und die aufblühende Genetik so vollständig geirrt hat, dass die Aussagen seiner Verleumdungskampagne in den meisten Punkten auf ihn selbst zurückfallen: Es waren Poultons darwinistische Auffassungen, die 'schädlich für die biologische Wissenschaft waren und sich als eine Behinderung bei dem Versuch, das Problem der Evolution zu lösen' erwiesen. Es war Poulton, der sich durch Dogmatismus in Bezug auf biologische Arbeiten auszeichnete, die nicht im Einklang mit seinen darwinistischen Vorurteilen standen etc.. Es war Poulton, der durch eine verächtliche Herabsetzung von durch Mendel und Bateson inspirierte Untersuchungen, seine Ignoranz bewies, und so weiter und so fort.

Heutige Darwinisten werden sich früher oder später ebenfalls die Frage gefallen lassen müssen, inwieweit die Behauptungen ihrer Herabsetzungs- und Verleumdungskampagnen gegen andersdenkende Wissenschaftler auf sie selbst zutreffen!

Nun war Poulton keine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben von William Bateson, der als erster Direktor des weltbekannten John Innes Instituts in Norwich (England) trotz aller Kampagnen in seiner wissenschaftlichen Position wenig angreifbar war (inwieweit die andauernde Verleumdungskampagne von Poulton, Weldon und Pearson allerdings Bateson persönlich zusetzte, vermag ich derzeit nicht zu beurteilen).

Die die Darwinisten kennzeichnende Geisteshaltung am Beginn des 20. Jahhunderts (vgl. Lönnig 1998/2001: mendel07.htm) hat sich in den folgenden Jahrzehnten nicht wesentlich verändert, wie die folgenden Ausführungen zeigen:

 

b) Die Reaktion des Neodarwinismus auf die Thesen Richard Goldschmidts

Über die Reaktion des Neodarwinismus auf eine bedeutende Arbeit Richard B. Goldschmidts (1878-1958) berichtet Reid zu den 1940er Jahren (1985, p. 255):

Goldschmidt was already regarded as unorthodox for his views on the gene; the reaction to The Material Basis of Evolution [1940] was stronger: 'I had struck a hornet's nest. The neo-Darwinans reacted savagely. This time I was not only crazy but almost a criminal.' The crime was that he was too close to the truth for comfort. He could not be dismissed for freakish associations such as Lamarckism or vitalism. He had beeen inclined towards neo-Darwinism and indeed, he had contributed to the success of neo-Darwinism with respectable experiments in population genetics and a fifteen-year study of Lymantria varieties. The results drove him to alternatives unacceptable to the majority of the orthodox, reductionist congregation.

Stephen Jay Gould, der sich als strikter Antikreationist selbst als "Darwinian" bezeichnet, hat die feindselige Einstellung des Neodarwinismus zu Goldschmidt wie folgt erlebt und beschrieben (1980, pp. 186, 187, 188):

Big brother, the tyrant of George Orwell's 1984, directed his daily Two Minutes Hate against Emmanuel Goldstein, enemy of the people. When I studied evolutionary biology in graduate school during the mid-1960s, official rebuke and derision focused on Richard Goldschmidt, a famous geneticist who, we were told, had gone astray…Orthodox neo-Darwinians extrapolate these even and continuous changes [of population genetics] to the most profound structural transitions of life: by a series of insensibly graded intermediate steps, birds are linked to reptiles, fish with jaws to their jawless ancestors. Macroevolution (major structural transition) is nothing more than microevolution (flies in bottles) extended…Goldschmidt raised no objection to the standard accounts of microevolution; he devoted the first half of his major work, The Material Basis of Evolution (Yale University Press, 1940), to gradual and continuous change within species. He broke sharply with the synthetic theory, however, in arguing that new species arise abruptly by discontinous variation, or macromutation. [Zusatz in der Klammer von mir.]

Goulds damalige Voraussage einer für die 1980er Jahre unmittelbar bevorstehenden, weitgehenden Rehabilitierung Goldschmidts (oben nicht zitiert), hat sich zumindest in neodarwinistischen Kreisen bis heute nicht erfüllt. Ein wesentlicher Grund dafür wird in den folgenden Ausführungen zum Thema 'Großmutation und Wunder' von Marcel-Paul Schützenberger genannt (1996) (weitere Details des aufschlussreichen Interviews vgl.: http://www.arn.org/docs/odesign/od172/schutz172.htm):

A miracle is an event that should appear impossible to a Darwinian in view of its ultra-cosmological improbability within the framework of his own theory. Now speaking of macromutations, let me observe that to generate a proper elephant, it will not suffice suddenly to endow it with a full-grown trunk. As the trunk is being organized, a different but complementary system - the cerebellum - must be modified in order to establish a place for the ensemble of wiring that the elephant will require to use his trunk. These macromutations must be coordinated by a system of genes in embryogenesis. If one considers the history of evolution, we must postulate thousands of miracles; miracles, in fact, without end. No more than the gradualists, the saltationists are unable to provide an account of those miracles. The second category of miracles are directional, offering instruction to the great evolutionary progressions and trends - the elaboration of the nervous system, of course, but the internalization of the reproductive process as well, and the appearance of bone, the emergence of ears, the enrichment of various functional relationships, and so on. Each is a series of miracles, whose accumulation has the effect of increasing the complexity and efficiency of various organisms.

Übrigens folgte auch auf das Interview im Jahre 1996, in dem sich Schützenberger mit ausgezeichneten naturwissenschaftlichen Argumenten in der La Recherche gegen die Gültigkeit der Synthetischen Evolutionstheorie ausgesprochen hat, eine ungeheuer unsachliche Diskussion von Seiten des Neodarwinismus gegen den Autor mit der "bekannten Mischung aus Ignoranz-Beschuldigungen..., Irrelevanz, Monomanie und Frevelhaftigkeit, und das ganze noch unterstützt mit dem Appell auf den Konsensus der Autoritäten" (vgl. die Ausführungen Reids oben).

In den Fällen Batesons, Goldschmidts und Schützenbergers war zwar deren Ruf, aber zumindest nicht unmittelbar Leib, Leben und Anstellung des Genetikers/Wissenschaftlers in Gefahr. Anders verhielt es sich mit den folgenden (mit Goldschmidts Thesen etwa zeitgleichen) Beispielen:

 

c) Ein "wahrer Darwinist" gegen die Genetik: Lyssenkos kriminelle Machenschaften

Wesentlich gefährlicher war die Situation für die russischen Genetiker wie Nicolaj Ivanovic Vavilov [Wawilow] (1887-1943), die durch den "wahren Darwinisten" Trofim Denissowitsch Lyssenko [Lysenko] (1898-1976) und seine Schule sowohl in ihrer wissenschaftlichen Karriere als auch in ihrer gesamten Existenz bedroht wurden. Vavilow fand durch die Machenschaften Lyssenkos den vorzeitigen Tod (vgl. Medwedjew 1971, Popovskij 1977, weitere Literaturangaben bei Hoßfeld 1999). Und das trifft auch auf viele weitere russische Genetiker zu.

Es wird bei allem Wahnsinn dieser Periode in der heutigen Geschichtsschreibung zu oft übersehen, dass Lyssenko sich mit einem gewissen Recht als "wahren Darwinisten" bezeichnen konnte: Der Kernpunkt der Lyssenkoschen Auffassungen, die Vererbung erworbener Eigenschaften, war nachweislich integraler Bestandteil der ursprünglichen Darwinschen Evolutionstheorie (vgl. die entsprechenden Passagen in der ORIGIN und VARIATION...UNDER DOMESTICATION). Ich habe zunehmend den Eindruck, dass bei dieser Frage gewisse Kreise der Wissenschaft und Wissenschaftsgeschichte mit der fast ausschließlichen Betonung Lamarcks heute von Darwins Thesen und von Darwins Bedeutung für die Lehre der Vererbung erworbener Eigenschaften ablenken wollen. Aus der Diskussion mit Dr. B. möchte ich zunächst an folgende Punkte erinnern:

Lamarck postulierte für die 'Höherentwicklung' im Zusammenhang mit der Vererbung erworbener Eigenschaften eine psychische Komponente ("Nervenfluidum"), welche Darwin ablehnte. Darwin lehnte jedoch nicht die Vererbung erworbener Eigenschaften selbst ab. Hier ein Beispiel aus Darwins Origin (1872/1967, p. 24, 25;)

Changed habits produce an inherited effect as in the period of the flowering of plants when transported from one climate to another. With animals the increased use or disuse of parts has had a more marked influence....The great and inherited development of the udders in cows and goats in countries where they are habitually milked, in comparison with these organs in other countries, is probably another instance of the effect of use. Not one of our domestic animals can be named which has not in some country drooping ears; and the view which has been suggested that the drooping is due to the disuse of the muscles of the ear, from animals being seldom alarmed, seems probable.

Der teleologische Grundgedanke der Vererbung erworbener Eigenschaften (durch Gebrauch oder Nichtgebrauch zur Weiterentwicklung bzw. Rückbildung von Organen und Funktionen) zieht sich durch das gesamte Werk Darwins. Auch bei unserem Musterbeispiel, der Giraffe, postuliert Darwin in Verbindung mit seiner Selektionstheorie die Vererbung erworbener Eigenschaften (p. 202):

...natural selection will preserve and thus separate all the superior individuals, allowing them to intercross, and will destroy all the inferior individuals. By this process long continued, which exactly corresponds with what I have called unconscious selection by man, combined no doubt in a most important manner with the inherited effects of the increased use of parts, it seems to me almost certain that an ordinary hoofed quadruped might be converted into a giraffe. (Siehe weiter die Kommentare Johannsens zu Darwins Pangenesis-Hypothese unter: mendel06.htm und Stubbe zu den Auffassungen Haeckels ebenfalls unter derselben Adresse.)

(Vgl. weiter Giraffe.html) Die Vererbung erworbener Eigenschaften war als Hinterlassenschaft darwinistischer Auffassungen auch ein integraler Bestandteil der kommunistischen Doktrin geworden (siehe z. B. Friedrich Engels [1876]: Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen. 14. Aufl., Berlin 1968.)

Und genau dieser Kernpunkt der Auffassungen Darwins, Engels und Lyssenkos samt Gefolgschaft wurde von den Genetikern eindeutig und völlig zurecht abgelehnt. Aus der Sicht der marxistischen Ideologie war damit nichts Geringeres in Gefahr als die gesamte Evolutionstheorie (vgl. die Details in mendel10.htm sowie den Web-Hinweis aus dem vorherigen Absatz) und damit die theoretische Grundlage des Materialismus überhaupt und nicht zuletzt das allein über äußere Einflüsse schnell und fast endlos formbare sozialistische Menschenbild (von der Pflanzen- und Tierzucht ganz zu schweigen).

Es ging den Marxisten dabei im wesentlichen um die von ihnen behauptete Weiterentwicklung der Darwinschen Auffassungen, Lamarck spielte dagegen nur eine ganz untergeordnete Rolle. In Lyssenkos AGROBIOLOGIE (1949/1951: 670 pp.) beispielsweise wird im Personenregister auf Darwin 50mal Bezug gemommen, davon 13mal mit Hinweis auf die folgenden Seiten (f.), auf Lamarck hingegen nur 4mal, und zwar ohne (f.). Im Sachregister werden zum Lamarckismus (plus 'Lamarckisten' und 'Lamarcks Theorie') 10 Seiten (1mal mit f.), jedoch zum Darwinismus mit Unterkategorien 75 Seiten aufgeführt (22mal mit f. und 1mal mit ff.). Aber diese Daten werden erst durch die Zusammenhänge lebendig: Der Leser überzeuge sich an Hand der Lektüre des Werkes selbst, inwieweit sich Lyssenko auf Darwins Lehre von der Vererbung erworbener Eigenschaften konzentriert (und dabei behauptet, dass K.A. Timirjasew ["der hervorragende Darwinist", p. 442 und im Dativ p. 280, siehe auch p. 512] und I.W.Mitschurin die Lehre Darwins zu der Erkenntnis weiterentwickelten, "dass die Lenkung der Lebensbedingungen gleichzeitig eine Lenkung der Erbanlagen ist" [p. 280]) und überhaupt, welche entscheidende Bedeutung Darwin für die Begründung des Materialismus beigemessen wird. "Gewiss darf man seine [Lamarcks] Lehre nicht auf eine Stufe mit der Lehre Darwins stellen, denn sie weist viele Fehler auf."..."Die materialistische Entwicklungstheorie der lebenden Natur ist undenkbar ohne Anerkennung der Vererbung der vom Organismus unter den bestimmten Bedingungen seines Lebens erworbenen individuellen Merkmale. Sie ist undenkbar ohne Anerkennung der Vererbung erworbener Eigenschaften" (Lyssenko, p. 303 und p. 511; vgl. auch die weitere Dokumentation zum Thema Lamarckismus und Darwinismus in der ehemaligen Sowjetunion in den oben angegebenen Web-Adressen).

E. Stelzer berichtet über die repressive Methodik der "wahren Darwinisten" anlässlich der Tagung der Lenin-Akademie für Agrarwissenschaften vom 31. Juli bis 7. August 1948 ("Die Situation in der biologischen Wissenschaft"), die eine darwinistische Wende im Sinne des 19. Jahrhunderts für die Biologie weltweit bringen sollte, unter anderem (1999, pp. 64/66):

Die zunächst zurückhaltend anlaufende, gepflegte "theoretische Diskussion" der ersten Tage dieser Augustwoche 1948 bekam bald schärfere Töne der Diffamierung:...Eine Atmosphäre nicht einfach der Primitivität und der Unduldsamkeit wie man sie ja von so manchen Kongressen, nicht nur jener Zeit, kennt, nicht nur der Ignoranz ..., sondern des vorsätzlichen, brutalen "Fertigmachens", mit den szenischen Mitteln des Chores ("Gelächter", "Lärm im Saale", "Beifall", "Stürmischer, lange nicht abflauender Beifall, der in eine Ovation übergeht. Alle erheben sich") und der anonymen solistischen vox populi der Zwischenrufe: "Sie müssen Ihren Abschied nehmen!" "Schande, Cliquenwirtschaft!". Als Krönung der Regie die hymnische Koda der einstimmigen Adresse an Stalin, "Koryphäe der fortschrittlichen Wissenschaft" [für viele bis heute nach wie vor Darwin, Anmerkung von W.-E.L.]. Man wird an die Inquisition erinnert. Galilei: Schauen Sie die Jupitermonde! - Da brauchen wir kein Rohr! - Hier Nemtschinow: "Man vermag diesen Mechanismus (der chromosomalen Vererbung) nicht nur zu sehen, sondern auch zu färben und zu bestimmen!" (Lärm im Saal, Zwischenruf: "Ja, dies sind Farben. Und Statistik"). Mendelismus-Weismannismus-Morganismus-Kosmopolitismus: der Exorzismus ist vollzogen, es folgen Peccavi oder Schweigen, Suizide, Lager und Tod sowjetischer Genetiker, die den Weltruf hatten, der ihnen zum Verderben ausgeschlagen ist. Und die Konferenz zog, wie geplant, Kreis um Kreise im ganzen Lande. Nicht nur Dekapitierung einer Wissenschaft und menschliches Leid waren die Folgen solchen kalten Wahns, sondern auch schwere Schäden für die sowjetische Agrikultur, die nun vom "nutzlosen Spiel mit der Drosophila" und dem Erbe Mendels befreit war.

Der Protokollband enthält auch Bekundungen großen Mutes und lange durchgehaltener Standhaftigkeit: Sawadowski: "Ich glaube, daß solch eine engstirnige, beschränkte und einseitige Verleumdung nicht nur der Methoden, sondern auch der Leute, die nicht nach dem geförderten Plane arbeiten, eine unzulässige Sache ist. Mit großem Bedauern habe ich hier die Diskussionsrede des Genossen Muromzew gehört, der meiner Meinung nach nur deshalb so redete, weil es ihm so vorkam, als ob dies die Umstände so erfordern."

 

4) Intoleranz heutiger Neodarwinisten

Ich möchte auch an dieser Stelle wieder betonen, dass ich selbstverständlich nicht alle Darwinisten und Neodarwinisten in einen Topf mit Lyssenko werfen möchte (siehe oben), zumal die große Mehrheit der heutigen Evolutionstheoretiker die Vererbung erworbener Eigenschaften beginnend mit der "modern synthesis" von etwa 1937 an (Dobzhansky) ablehnt (der Darwinismus war also in dieser Frage bis etwa 1964 in einen "Ost- und West-Darwinismus" gespalten). Dennoch sind zur Toleranzfrage bei einer Gruppe führender Protagonisten der Synthetischen Evolutionstheorie bis in die Gegenwart sehr bedenkliche Tendenzen festzustellen, die Michael J. Behe wie folgt beschrieben hat (1996, p. 250):

Intolerance does not arise when I think that I have found the truth. Rather it comes about only when I think that, because I have found it, everyone else should agree with me. Richard Dawkins has written that anyone who denies evolution is either "ignorant, stupid or insane (or wicked - but I'd rather not consider that.)" It isn't a big step from calling someone wicked to taking forceful measures to put an end to their wickedness. John Maddox, the editor of Nature, has written in his journal that "it may not be long before the practice of religion must be regarded as anti-science." In his recent book Darwin's Dangerous Idea, philosopher Daniel Dennett compares religious believers - 90 percent of the population [of the USA] - to wild animals who may have to be caged, and he says that parents should be prevented (presumably by coercion) from misinforming their children about the truth of evolution, which is so evident to him. This is not a recipe for domestic tranquility. It is one thing to try to persuade someone by polemics; it is entirely different to propose to coerce those who disagree with you. As the weight of scientific evidence shifts dramatical1y, this point should be kept prominently in mind. Richard Dawkins has said that Darwin made it possible to be an "intellectually fulfilled atheist." The failure of Darwin's theory on the molecular scale may cause him to feel less fulfilled, but no one should try to stop him from continuing his search. [Hinweis in der eckigen Klammer und Hervorhebungen im Schriftbild (wieder) von mir.]

(Literaturnachweise bei Behe.) Erinnern diese Tendenzen bei extremen Vertretern der Synthetischen Evolutionstheorie nicht geradezu eklatant an die oben geschilderte kriminelle Grundhaltung Lyssenkos und seiner Schule? - Mit dem Unterschied allerdings, dass in den freiheitlichen Demokratien die soeben zitierten Darwinisten erfreulicherweise nicht oder nur sehr beschränkt die Macht haben, ihre radikalen Thesen in die Tat umzusetzen! [Nachtrag August 2005: In den letzten Jahren muss diese Aussage bedauerlicherweise durch die zunehmende Intoleranz führender Vertreter der Synthetischen Evolutionstheorie - die jedoch die direkte Gegenüberstellung ihrer Thesen mit der Intelligent-Design-Theorie in der öffentlichen Diskussion strikt ablehnen - relativiert werden: Die freie wissenschaftliche Diskussion unterschiedlicher Hypothesen und Theorien wird zunehmend durch von Neodarwinisten initiierte Publikationsverbote an wissenschaftlichen Institutionen abgeschafft; vgl Sie bitte dazu die ausführliche Dokumentation zum Streit um meine Institutshompage.]

Was nun den Kreationismus anlangt, so stimme ich den Kritikern zu, dass eine Reihe von sachlichen Einwänden insbesondere zur Zeitrechnung und der manchmal totalen Verneinung der Relevanz jeglicher Mutageneserscheinungen auch für die sekundäre Art- und Resistenzbildung bei den Lebenwesen möglich ist (von der konservativ-religiösen Frage einmal abgesehen; vgl. weiter Vogelfeder.html - kurz vor der Mitte des Dokuments). Die Kampagne führender Neodarwinisten gegen den Kreationismus nimmt jedoch bedauerlicherweise immer wieder die gleichen intoleranten Züge an, die ich mit Behe gerade zitiert habe. Duane T. Gish hat dazu mit seiner Arbeit Creation Scientists Answer Their Critics (1993) eine 455seitige Dokumentation vorgelegt, die ich trotz einiger grundsätzlicher Bedenken zum Kreationismus als ausgesprochen aufschlussreich zum Studium der Toleranz-Thematik empfehlen möchte.

Hier ein Beispiel von vielen anderen, welches Gish bis in alle Einzelheiten überzeugend dokumentiert hat (an dieser Stelle geht es mir in erster Linie um die Toleranzfrage, nicht die um eine wissenschaftlichen Diskussion des im Zitat angesprochenen Entropieproblems). Gish bemerkt p. 180:

John W. Patterson...is one who pours out vituperation [Schmähungen, wüste Beschimpfungen] of all kinds against creation scientists, accusing them of being not only ignorant and incompetent but also downright dishonest in their treatment of evolution and the Second Law. He has recommended that creation scientists be dismissed from university positions, that research grants be denied creation scientists, and that, if possible, earned Ph.D.'s should be taken away from creation scientists. His charges of blatant dishonesty and incompetence on the part of creation scientists have been puplished in anticreationist books, in the Proceedings of the Iowa Academy of Science, and in The American Atheist.

(Literaturnachweise bei Gish.) Erinnert nicht auch diese von zahlreichen weiteren Neodarwinisten unterstützte Kampagne Pattersons wieder an die kriminelle Grundhaltung Lyssenkos und seiner Gefolgschaft? Als weiterer Schritt fehlen nur noch Vorschläge zur Verhaftung, Isolierung und vielleicht auch Vernichtung der Kreationisten nach sowjetischem bzw. nationalsozialistischem Vorbild.

Der letztere Punkt bietet übrigens ein weiteres Thema für sich: Ich habe mit mehreren Menschen gesprochen, die wegen ihres "Glaubens an das Paradies", so die wiederholte Aussage des ehemaligen KZ-Häftlings Alfred Stüber (1904-1981) aus Reutlingen, von den Nationalsozialisten jahrelang brutal misshandelt worden sind (nach meinen bisherigen Erfahrungen würden wohl die meisten Neodarwinisten 'Bibelforscher' wie Herrn Alfred Stüber undifferenziert, wenn auch in mehreren grundlegenden Punkten zu Unrecht, als "Kreationisten"*** bezeichnen) - zum Einfluss Darwins und Haeckels auf Hitler vgl. mendel05.htm - etwa ab der Mitte des Dokuments sowie mendel11.htm).

Nach Diskussion und Widerlegung verschiedener (nachweislich pseudo-)wissenschaftlicher Einwände Pattersons, fährt Gish pp. 192/193 fort:

Patterson has vilified [schmähen] creation scientists, slandering [verleumden] them in all his publications as incompetent and liars. Slander, however, is no substitute for science. It needs to be said, again, that when one uses a vicious [bösartig, gemein] ad hominem attack against an opponent in an intellectual discussion, it is an indication that he knows his case is weak, and his opponent, on the other hand, has compelling evidence to support his own case.

Und speziell zum seit rund 150 Jahre gepflegten neodarwinistischen Dauervorwurf der Inkompetenz aller Andersdenkenden kontert Gish im Fall Patterson (1993, p. 195):

Who are these incompetents that Patterson finds among engineers? Patterson himself provides a list. These, of course, include Dr. Henry M. Morris, Ph.D. from the University of Minnesota, who served 13 years as chairman of the Civil Engineering Department of Virginia Polytechnic Institute and State University, one of the largest in the U.S., with 28 professors; Dr. David R. Boylan, Ph.D. in chemical engineering, who served for 18 years as Dean of Engineering at Iowa Stae University...(he was...Patterson's superior); Dr. Edward Blick, professor of aerospace, mechanical and nuclear engineering, and formerly associate dean of engineering at the University of Oklahoma; Dr. Harold R. Henry, Ph.D. in fluid mechanics, professor and chairman of civil and mining engineering at the University of Alabama; Dr. Malcolm Cutchins, Ph.D. in engineering mechanics, professor of aerospace engineering at Auburn University; Dr. William Bauer, Ph.D. in hydraulics, president of his own engineering consulting firm; Dr. John Morris, Ph.D. in geological engineering, assistant professor in geological engineering at the University of Oklahoma before joining the ICR staff; and Dr. Walter T. Brown, Ph.D. in mechanical engineering, formerly Colonel and Professor of Engineering, Air Force Academy, now retired. This is quite an impressive list, several of whom held or hold positions as deans or chairmen of engineering departments, and practically all holding professorships at major universities. It is further obvious that the university training of all of them would have included courses in thermodynamics, and the positions held by several of them would require special expertise in thermodynamics. It is amazing how several of these "incompetents" have managed to receive prestigious appointments as deans or chairmen of engineering departments, while Patterson, their intellectual superior has failed to obtain such an appointment.

Wir hatten oben Reid zitiert mit der Aussage: "As a general polemic Poulton's attack on Bateson has the familiar mixture of accusations of ignorance, unfair attribution of priority, dogmatism, irrelevance, monomania and sacrilege, backed with appeal to authoritative consensus. All are still to be found in responses of modern selectionism to its critics..."

Über die oben referierten Angriffe auf Bateson, Golschmidt und Schützenberger hinaus, sowie auf die Kreationisten überhaupt, ließe sich Reids Statement auch anhand zahlreicher Beispiele aus neuester Zeit zum neodarwinistischen Umgang mit der Intelligent-Design-Movement weiter belegen.

Das Wort des Freiburger Professors W. Höres zum Darwinismus (1980) betrifft nicht nur die Idee der kontinuierlichen Entwicklung, sondern nach wie vor auch gewisse Tendenzen in der Grundhaltung zur Toleranzfrage: "Hundert Jahre nach Charles Darwin und sechzig Jahre nach Ernst Haeckels Tod hat sich so - trotz aller im Grunde unwesentlichen Modifikationen - an der geistigen Grundgestalt des Darwinismus nichts geändert."****

 

5) Weiter zur heutigen Wissenschaft: Die generellen Empfehlungen zum Umgang mit Kritikern von Edwin T. Jaynes

Ganz unabhängig davon, inwieweit die Positionen von Edwin T. Jaynes (1922-1998; Professor für Physik an der Universität Washington) letztlich richtig oder falsch sind, enthält die folgende Passage aus seinem Vortrag Dealing with Critics(1993, pp. 272/273) einige bedeutende Wahrheiten und sinnvolle Empfehlungen (auch wenn der Autor seine zutreffenden Kriterien auf den Darwinismus selbst nicht anzuwenden möchte), so dass ich diesen Abschnitt, mit dem ich mich in mehreren Punkten voll identifizieren kann, hier wiedergeben möchte:

Dealing with Critics

Looking back over the past forty years, I can see that the greatest mistake I made was to listen to the advice of people who were opposed to my efforts. Just at the peak of my powers I lost several irreplaceable years because I allowed myself to become discouraged by the constant stream of criticism from the Establishment, that descended upon everything I did. I have never - except in the past few years - had the slightest encouragement from others to pursue my work; the drive to do it had to come entirely from within me. The result was that my contributions to probability theory were delayed by about a decade, and my potential contributions to electrodynamics - whatever they might have been - are probably lost forever.

But I can now see that all of this criticism was based on misunderstanding or ideology. My perceived sin was not in my logic or mathematics; it was that I did not subscribe to the dogmas emanating from Copenhagen and Rothamsted. Yet I submit that breaking those dogmas was the necessary prerequisite to making any further progress in quantum theory and probability theory. If not in my way, then necessarily in some other.

In any field, the Establishment is not seeking the truth, because it is composed of those who, having found part of it yesterday, believe that they are in possession of all of it today. Progress requires the introduction, not just of new mathematics which is always tolerated by the Establishment; but new conceptual ideas which are necessarily different from those held by the Establishment (for, if the ideas of the Establishment were sufficient to lead to further progress, that progress would have been made).

Therefore, to anyone who has new ideas of a currently unconventional kind, I want to give this advice, in the strongest possible terms: Do not allow yourself to be discouraged or deflected from your course by negative criticisms - particularly those that were invented for the sole purpose of discouraging you - unless they exhibit some clear and specific error of reasoning or conflict with experiment. Unless they can do this, your critics are almost certainly wrong, but to reply by trying to show exactly where and why they are wrong would be wasted effort which would not convince your critics and would only keep you from the far more important, constructive things that you might have accomplished in the same time. Let others deal with them; if you allow your enemies to direct your work, then they have won after all.

Although the arguments of your critics are almost certainly wrong, they will retain just enough plausibility in the minds of some to maintain a place for them in the realm of controversy; that is just a fact of life that you must accept as the price of doing creative work. Take comfort in the historical record, which shows that no creative person has ever been able to escape this; the more fundamental the new idea, the more bitter the controversy it will stir up. Newton, Darwin, Boltzmann, Pasteur, Einstein, Wegener were all embroiled in this. Newton wrote in 1676: "I see a man must either resolve to put out nothing new, or become a slave to defend it." Throughout his lifetime, Alfred Wegener received nothing but attacks on his ideas; yet he was right and today those ideas are the foundation of geophysics. We revere the names of James Clerk Maxwell and J. Willard Gibbs; yet their work was never fully appreciated in their lifetimes, and even today it is still, like that of Darwin, under attack by persons who, after a Century, have not comprehended their message (Atkins, 1988).

Man kann Darwin sehr wohl begreifen und verstehen und genau aus diesem Grunde seine Botschaft ablehnen, da sie sich in allen wesentlichen Punkten als unzutreffend erwiesen hat. - Auf den Gedanken allerdings, dass seine kritischen Anmerkungen auch auf das 'darwinistische Establishment' und die Darwinsche Theorie selbst zutreffen könnten, kommt E.T. Jaynes nicht. Warum aber wendet Jaynes seine Überlegungen nicht auch auf "Darwin und die Folgen" an (so ein Buchtitel von R.E.D.Clark)? Es ist u.a. anzunehmen, dass Jaynes als Physiker (und ich meine das in keiner Weise abwertend) nicht bekannt war, dass der Darwinismus die Anerkennung der grundlegenden Vererbungsgesetze um Jahrzehnte verzögert und weite Bereiche der Embryologie, Morphologie und Paläontologie sowie weitere biologische Disziplinen z.T. über hundert Jahre in falsche Bahnen gelenkt hat und darüber hinaus bis auf den heutigen Tag nicht in der Lage ist, eine naturwissenschaftlich-biologisch überzeugende Antwort auf die grundlegende Frage nach dem Ursprung neuer komplexer Strukturen zu geben (weitere mögliche Gründe möchte ich an dieser Stelle nicht diskutieren). - Was die anderen von Jaynes genannten Forscher betrifft, so sind mir für deren Theorien und Fachgebiete keine vergleichbaren Defizite bekannt, und es gibt weder einen Newtonismus, Boltzmannismus...Wegnerismus, Maxwellismus noch Gibbsimus, so dass Jaynes seine kritischen Ansätze im Gegensatz zum Darwinismus dort auch kaum anwenden könnte. - One can comprehend Darwin's message and scientifically reject it.

Jaynes fährt dann fort:

The recent reminiscences of Francis Crick (1988) make many other important points that we might otherwise have included here, because they apply as well to physics as to biology. For example, he notes that in studying brain function, theoretical work "tended to fall into a number of somewhat separate schools, each of which was rather reluctant to quote the work of the others. This is usually characteristic of a subject that is not producing any definite conclusions." Exactly the same could be said of several areas of physics; we would add only that, even when definite conclusions are proclaimed by one school, they are not often justified or permanent.

Für den einen oder anderen Leser entbehrt es vielleicht nicht einer gewissen Ironie, dass ich ausführlich 'den Darwinisten' Edwin T. Jaynes und dieser wiederum die "Kreationisten" Isaak Newton (1642-1727), Louis Pasteur (1822-1895) und Joseph Clerk Maxwell (1831-1879) als Zeugen bzw. Beispiele zur Bestätigung grundlegender Auffassungen zum Umgang mit Kritikern (und Newton als einzigen sogar wörtlich) zitiert.

Was Newton anlangt, so hat sich dieser sowohl privat als auch in seinen Arbeiten sein gesamtes Leben lang mit zahlreichen naturwissenschaftlichen Argumenten für eine göttliche Schöpfung eingesetzt - von der Entstehung des Universums bis zum menschlichen Auge. - Zu Pasteur und Maxwell dürften die beiden folgenden Zitate aufschlussreich sein: "[Pasteur] was the object of intense opposition by almost the entire biological establishment, because of his own opposition to spontaneous generation and to Darwinism. It was only his persistence and sound experimental and analytical procedures that finally compelled most biological and medical scientists to give up their ideas of the naturalistic origin of life and their treatment of disease as based on this notion. Pasteur was a strongly religious man..." - [Maxwell] was strongly opposed to evolution and was able to develop a rigorous mathematical refutation of the famous "nebular hypothesis" of the French atheist LaPlace. He also wrote an incisive refutation of the evolutionary philosophies of Herbert Spencer, the great advocate of Darwinism. A prayer found in his handwriting after his death quoted the Genesis account of man's creation in God's image and the command to subdue the earth as the motivation for his own scientific studies, while also acknowledging his personal faith in Jesus Christ as Lord an Savior" (Morris 1988, p.62 and p. 68).

Aber völlig unabhängig von ihren Standpunkten zum Ursprung des Universums und des Lebens sind sich Darwinisten und Intelligent-Design-Theoretiker in bestimmten anderen grundlegenden Fragen und Auffassungen auch wieder völlig einig: Und zu diesen Themen können sie sich einander mit zutreffenden Überlegungen und Argumenten sowie aufschlussreichen Erfahrungen auch bestätigend zitieren.

 

6) Ein vorläufig letzter Einwand

Vor 26 Jahren habe ich in Verbindung mit einer Diskussion zu Evolutionsfragen folgenden Einwand diskutiert.

Einwand: "Was würden Sie denn nun machen, wenn wir eines Tages all das, was uns noch fehlt, um die Deszendenztheorie durch Fossilien und Mutationen zu belegen, gefunden bzw. nachgewiesen wird, wenn wir vielleicht eines Tages einen vollständigen Stammbaum aufbauen könnten? Oder, um auf das Kambriumproblem zurückzukommen, wenn eines Tages riesige Mengen präkambrischer Fossilien gefunden würden, die die Entwicklung uns ganz klar vor Augen führen könnten? Und dazu noch die Vorfahren der Archaeopteryx - dann möchte ich Ihr Gesicht einmal sehen!"

Antwort: Was würden Sie machen, wenn eines Tages bewiesen würde, dass der Mond aus weißem Käse besteht? Guter Freund, dann würde ich das selbstverständlich anerkennen. Wenn aber nach dem gegenwärtigen Stande unseres Wissens einer behauptet, der Mond sei aus weißem Käse, er sei nur noch nicht lange genug und ausreichend untersucht, man kennt ihn ja nur von ein paar Stellen, ein paar Quadratmetern her - und welche riesigen Flächen da noch weißen Käse bergen könnten, und dass der weiße Käse vielleicht gerade an den Stellen, wo die Amerikaner bisher gelandet sind, eine völlige Metamorphose, eine Umwandlung erfahren habe, und dass ja doch Indizien wie die bleiche "Farbe", auf weißen Käse hinweisen könnten, dass es also noch gar nicht ausreichend widerlegt sei, dass er nicht aus weißem Käse bestehe ... usw. usf. -, dann kann ich nur sagen: teurer Freund, darum geht's überhaupt nicht. Fest steht, dass nach dem gegenwärtigen Stand des Wissens der Mond mit weißem Käse nichts zu tun hat, genausowenig wie das Präkambrium mit Evolution! Ich kann natürlich nicht widerlegen, dass der Mond in grauer Vorzeit zumindest, ganz aus Käse bestanden hat, und dass - weil noch nicht ausreichend erforscht - eine ganze Menge weißer Käse noch zum Vorschein kommt. Sollte das tatsächlich eines Tages der Fall sein, dann werde ich den guten Käse selbstverständlich nicht leugnen, sondern kräftig mitessen! Nur weiß ich nicht, warum ich das zur Zeit nach dem gegenwärtigen Stand des Wissens glauben soll. Doch hoffentlich nicht, weil der Materialismus ohne diese Hyphothese nicht auskommen kann. Ich bin, am Rande bemerkt, hinsichtlich präkambrischer Fossilien gar nicht so pessimistisch eingestellt. Warum sollte man da nicht noch so manches finden?1 Dass man allerdings einen präkambrischen Stammbaum aufbauen kann, also den echten weißen Käse findet, das glaube ich nicht 2. Das kann man ja nicht einmal nach dem Material aus den fossilreichen Formationen. 'Wenn das am grünen Holz geschieht, was soll dann am dürren werden!'

_______

1Dieser Punkt hat sich inzwischen mit dem weltweiten Nachweis der Ediacara-Fauna bestätigt, ebenso der Punkt 2: Vom postulierten Stammbaum gibt es keine Nachweise!

 

7) Zusammenfassung der Hauptpunkte

Einige Freunde sind der Auffassung, dass man am besten alle ungerechtfertigte Kritik zu einer wissenschaftlichen Position aufgreift, analysiert und widerlegt. Auf der anderen Seite meinen manche Kritiker, dass ihre Kritik, wenn unbeantwortet, eine Beweis für die Richtigkeit ihrer Einwände sei.

Hier müssen wir jedoch grundsätzlich unterscheiden zwischen a) Sachkritik, die unter gegenseitigem Respekt als konstruktive Kritik der Wahrheitsfindung dient und daher prinzipiell willkommen ist und b) Ad-hominem-Kritik ("Diffamierungskritik"), die mit den Methoden der persönlichen Herabsetzung, Verunglimpfung, Diskriminierung und Diffamierung arbeitet. Die Methoden und Absichten dieser unsachlichen Kritik zielen nicht auf eine vorurteilsfreie und möglichst objektive Lösung der zur Diskussion stehenden offenen Probleme, sondern setzen (1) eine bestimmte wissenschaftliche oder sonstige Hypothese als absolut gesichert sowie als endgültig und vollständig wahr voraus ("über jeden Zweifel erhaben") [als Glaubenssatz ist das möglich, nicht jedoch als wissenschaftliche Hypothese] und können unter anderem - wie oben an mehreren historischen Beispielen gezeigt - (2) dem "vorsätzlichen, brutalen Fertigmachen" des vermeintlichen Gegners dienen.

Die Geschichte der Naturwissenschaften zeigt uns tatsächlich Hunderte von Fällen, in denen noch so viele logische und experimentelle Beweise zu keinerlei Einsicht bei Ideologen geführt haben. Rund 150 Jahre darwinistischer Intoleranz zeigen im Gegenteil, dass sachlich zutreffende Argumente statt zur Überprüfung zweifelhafter Positionen in vermehrtem Maße zur Diskriminierung und Diffamierung von Personen geführt haben, die diese naturwissenschaftlichen Fakten und Argumente unterbreiteten.

Für alle solche und weitere Fälle gilt Jaynes’ Erfahrung und Rat, den ich in der Zusammenfassung wegen seiner prinzipiellen Bedeutung abschließend noch einmal wiederholen möchte:

Looking back over the past forty years, I can see that the greatest mistake I made was to listen to the advice of people who were opposed to my efforts. Just at the peak of my powers I lost several irreplaceable years because I allowed myself to become discouraged by the constant stream of criticism from the Establishment, that descended upon everything I did.....to anyone who has new ideas of a currently unconventional kind, I want to give this advice, in the strongest possible terms: Do not allow yourself to be discouraged or defected from your course by negative criticisms - particularly those that were invented for the sole purpose of discouraging you - unless they exhibit some clear and specific error of reasoning or conflict with experiment. Unless they can do this, your critics are almost certainly wrong, but to reply by trying to show exactly where and why they are wrong would be wasted effort which would not convince your critics and would only keep you from the far more important, constructive things that you might have accomplished in the same time. Let others deal with them; if you allow your enemies to direct your work, then they have won after all.

 

 

8) Schlussbemerkung:

Wenn auch die oben geschilderten darwinistischen Methoden im Umgang mit Andersdenkenden in der Geschichte der Biologie (und der Menschheit überhaupt) schon sehr viel persönliches Leid angerichtet und die Suche nach der Wahrheit behindert oder vorübergehend sogar total unterdrückt haben, so beruhigt es mich doch etwas, dass auch die übelsten Diffamierungen, Diskriminierungen und Verunglimpfungen absolut nichts an den naturwissenschaftlichen Realitäten und Gesetzmäßigkeiten ändern konnten oder können.

_______________________

*Der ad-hominem-Begriff wird nach Brockhaus, Meyers und Duden im deutschen Sprachraum oft mehr für eine nicht ganz sachgerechte Anpassungshilfe an eine Zuhörerschaft gebraucht als eine unsachliche Attacke auf eine Person. Ich gebrauche den Begriff hier im Sinne des englischen und französischen Sprachgebrauchs: "Argument ad hominem, argument attaquant directement la personne à qui l'on adresse" (Littré). "ad hominem...directed to the individual, personal: appealing to feeling, not to reason" (Oxford). "ad hominem:...directed at or appealing to one's hearer's or reader's personal feelings or prejudices rather than his intellect and reason (an ad hominem argument)..." (Webster).

**Zur psychologischen Frage ist allerdings noch sehr viel mehr zu sagen. Ich denke da z.B. an Joubert: "Üble Nachrede ist die Erleichterung der Bösartigkeit." Aber es gibt auch harmlosere Ursachen, wie die geistlos-unreflektierte Übernahme falscher Auffassungen über Personen und Sachen. In diesem Falle verlagert sich die eigentliche Frage auf die Quelle der 'üblen Nachrede'.

# Über diese beiden wesensverschiedenen Arten der Kritik hinaus gibt es vielleicht noch ein dritte Art der Kritik, die ich in Ermangelung eines mir bekannten feststehenden Begriffs erst einmal als "sachliche Personalkritik" bezeichnen möchte: Wenn z.B. Haeckel seine unrichtig 'ergänzten' Embryonen-Darstellungen als objektiv-naturwissenschaftliches Resultat ausgibt, dann hat natürlich der (hier gegen die Integrität der Person Haeckels gerichtete) Fälschungsvorwurf auch seine Berechtigung. [Vgl. z. B. Gursch, R. (1981): Die Illustrationen Ernst Haeckels zur Abstammungs- und Entwicklungsgeschichte. Frankfurt. Beispiel p. 15: Haeckel schreibt: "Wenn Sie die jungen Embryonen des Hundes, des Huhns und der Schildkröte in Figur 9, 10 und 11 vergleichen, werden Sie nicht im Stande sein, einen Unterschied wahrzunehmen." Kommentar von Gursch: "Angesichts der von Rütimeyer aufgezeigten tatsächlichen Identität der drei Holzschnitte wirkt - wenn auch unbeabsichtigt - dieser Satz Haeckels wie eine Verhöhnung" (Schriftbild von mir).]

Nur darf man nicht den Fehler machen, mit einer berechtigten Kritik zu einer zweifelhaften Methode und/oder den Fehlern eines einzelnen Forschers auch gleich die "ganze Sache" über Bord zu werfen, denn diese hätte sich ja unabhängig von den Haeckelschen Darstellungen und Methoden als richtig erweisen können. Inzwischen wissen wir jedoch, dass auch das nicht zutrifft (vgl. dazu die "Kritik zum Biogenetischen Grundgesetz").

Dennoch haben Haeckel-Verehrer keine Mühe gescheut, ihren Meister selbst bei derart eklatanten Verfehlungen zu rechtfertigen: Zeitdruck und die üblicherweise schematisierten wissenschaftlichen Darstellungen werden als Hauptentschuldigungen vorgebracht.

Nehmen wir jedoch zur Veranschaulichung dieser Rechtfertigungsproblematik einmal einen "Kreationisten" an, der die Konstanz der Arten mit folgender Methode beweisen wollte: Er nähme eine Serie von nur bruchstückhaft bekannten Fossilien, ergänzte die in Wahrheit auch vertikal (d.h. in verschiedenen geologischen Formationen) sehr unterschiedlichen Lebensformen so, dass die kambrischen Arten sowohl mit den eozänen als auch mit den lebenden fast völlig identisch wären und nähme obendrein (wegen Zeitmangels!) ein und dieselbe Abbildung zur Darstellung der Spezies aus den unterschiedlichen geologischen Formationen! Dazu würde er dann erklären: "Wenn Sie die kambrischen Arten mit denen des Eozäns und den heutigen Lebensformen in den Abbildungen 9, 10 und 11 vergleichen, werden Sie nicht im Stande sein, einen Unterschied wahrzunehmen." - Stellen wir uns weiter vor, Millionen Menschen würden seine 'wissenschaftlichen Leistungen' und 'bahnbrechenden Arbeiten' weltweit begeistert akzeptieren!

Jeder Darwinist würde voller Empörung diesen "kreationistischen Betrug" zurückweisen, mit dem die Leserschaft getäuscht und irregeführt worden sei (und viele würden dann wohl auch gleich das Kind mit dem Bade ausschütten, d.h. jegliche Schöpfungslehre damit diskreditieren wollen). Hinweise auf "Zeitdruck" und die in wissenschaftlichen Abbildungen üblichen schematisierten Darstellungen als Entschuldigung oder Rechtfertigung würden sowohl Darwinisten als auch deren Kritiker in einem solchen Falle wohl eher in die Kategorie der "unglaubwürdigen Rechtfertigungsversuche" einordnen.

Wenn jedoch manche Darwinisten in wissenschaftlichen Fragen mit zweierlei Maß messen, werden sie sich die Frage gefallen lassen müssen, ob sie nicht mehr an der Rechtfertigung Haeckels als an den naturwissenschaftlichen Realitäten interessiert sind.

***"Die Bezeichnung Kreationismus wird meist als Sammelbegriff verwendet. Ohne eine weitere Differenzierung werden darunter alle mehr oder weniger christlich motivierten Stellungnahmen eingeordnet, die sich in irgendeiner Weise fundamental-kritisch mit den Ergebnissen der modernen Naturwissenschaft (insbesondere der Evolutionstheorie) befassen bzw. von einem Schöpfungsglauben im Sinne des Alten und Neuen Testaments ausgehen. Der Begriff ist in der Regel negativ besetzt und wird meist im diffamierenden Sinne benutzt" (M. Kämpfer 2001, p. 21). - Unabhängig von der weltanschaulichen Position, die z.B. auch jüdische, muslimische und sogar atheistische Denker umfassen kann, wird der Sammelbegriff "Kreationist" in diffamierendem Sinne oft sogar auf alle Kritiker der Evolutionstheorie oder des Neodarwinismus angewandt. 'Zur Definition des Kreationismus gehört jedoch nach Science vom 22. Oktober 1999, p. 659 (und ebenso nach Auffassung der Kreationisten selbst)':"...creationists believe that God created the universe in 6 days 10,000 years ago..." - sowie ein bestimmtes nach meinem Verständnis (ebenfalls) nicht korrektes konservativ-dogmatisches Bibelverständnis (vgl. dazu z. B. die Schriften von H.M.Morris, dem vielleicht bekanntesten Protagonisten des Kreationismus, der - von seinen Vorraussetzungen einmal abgesehen - nun seinerseits auch wieder eine Anzahl sehr vernünftiger und aufschlussreicher Beiträge geliefert hat, die es Wert sind, zitiert zu werden; siehe oben).

****Das Zitat von W. Höres lautet weiter: "Er [der Darwinismus] ist und bleibt die größte Zumutung an den menschlichen Geist, die die Neuzeit, ja vielleicht die ganze abendländische Geschichte jemals erlebt haben. Die Herausforderung, die Wunder der organischen Welt damit zu erklären, dass sie "von selbst" enstanden seien."

 

 

Links zur Ursprungsfrage:

  

Hoimar von Ditfurth und der Lederbergsche Stempelversuch: Sind Antibiotikaresistenzen Beweise für Makroevolution im Labor?

Diskussion von Einwänden zum Antibiotikaresistenz-Thema

Evolution durch Genduplikationen?

Gregor Mendel: Why his discoveries were ignored for 35 (72) years

Rezension: R. Junker und S. Scherer (1998): Evolution - Ein kritisches Lehrbuch [vgl. auch Nachtrag zur 5. Aufl. 2001]

Wolf-Ekkehard Lönnig: Artbegriff, Evolution und Schöpfung

Ein paar offene Fragen der Evolutionstheorie sowie theologische Einwände von Evolutionstheoretikern zum Thema Intelligent Design

Loennig: Homepage

Private Homepage

 

9) Literatur

 

Behe, M.J. (1996): Darwins Black Box. The Free Press. New York.

Gould, S.J. (1980): Return of the Hopeful Monster, pp. 186-193 in The Panda’s Thumb. W.W. Norton & Company. New York/London.

Höres, W. (1980): Zitiert am 11.3. 1980 im Südwestfunk Baden Baden, 2. Programm, Studiowelle Saar und Südwestfunk II, Stuttgart (Prof. G. Knapp: Gott oder der Zufall, Vortrag).

Hoßfeld, U. (1999): Im Spannungsfeld von 'Deutscher Biologie', Lyssenkoismus und evolutions-ideologischer Axolotl-Forschung: pp. 31-44 in: Lomonossow DAMU-Heft 3/1999 (Details siehe unter Stelzer). Berlin.

Jaynes, E.T. (1993): A Backward Look to the Future, pp. 261-275 in: Physics and Probability (Hrsg.: W. T. Grandy, Jr. and P. W. Milonni) Cambridge Univ. Press, Cambridge, England. (Nach Überprüfen des Originaltextes wurden einige Fehler verbessert.)

Kämpfer, M. (2001): Wissenschaft - Pseudowissenschaft: Ein einführender Beitrag über die Abgrenzungsschwierigkeiten. Studium Integrale Journal, Jahrgang 8, April 2001, pp. 16-22.

Lyssenko, T.D. (1951): Agrobiologie. Arbeiten über Fragen der Genetik, der Züchtung und des Samenbaus. [Das Buch besteht aus Beiträgen Lyssenkos aus den Jahren 1934 bis 1950.] Verlag Kultur und Fortschritt. Berlin.

Medwedjew, S.A. (1971): Der Fall Lyssenko - Eine Wissenschaft kapituliert. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg.

Morris, H.M. (1988): Men of Science - Men of God. Great Scientists of the Past who Believed the Bible. Master Books. El Cajon, Ca.

Popovskij, M. (1977): N.I. Vavilov und die Biologische Diskussion in der UdSSR. Medizinische Folge der Berichte des Osteuropa-Instituts an der Freien Universität Berlin. Heft 116. Reihe Medizin. (Herausgegeben von Prof. Dr. Heinz Müller-Dietz am 15. 12. 1977.) Berlin.

Reid, R.G.B. (1985): Evolutionary Theory: The Unfinished Synthesis. Croom Helm. London & Sydney.

Schützenberger, P.-M. (1996): Les failles du darwinisme. "Les théories actuelles n'expliquent pas les miracles de l'évolution." La Recherche, Januar 1996, pp. 87-92.

Stelzer, E.: Beitrag in: Lomonossow DAMU-Heft 3/1999 [Deutsche Assoziation der Absolventen und Freunde der Moskauer Lomonossow-Universität e.V.]. Der Agrarbiologe Lyssenko - Ein Exempel für die Ideologisierung der Wissenschaft. Redaktion C. Titel. (Ehrenfried Stelzer: Ein am 5. Nov. 1999 beinahe gehaltener Diskussionsbeitrag, pp. 64-68). In diesem Heft weitere umfangreiche Literaturangaben zum Fall Lyssenko.


Internet address of this document: internetlibrary.html
© 2001, 2003 by Wolf-Ekkehard Lönnig - loennig@mpiz-koeln.mpg.de
Disclaimer