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9) Stellungnahme von Prof. D. (oder wie der Neodarwinismus die Wahrnehmung einfachster Tatbestände verhindert)

Mein Brief vom 6. September 1994:

Sehr geehrter Herr D. !

Sehr geehrter Herr C.!

Beiliegend sende ich Ihnen meine Analyse des Gutachtens von Herrn D..

Wenn ich bereit bin, ein Gutachten für eine spezielle naturwissenschaftliche Arbeit zu erstellen, dann sollte ich mit der Thematik auch gut vertraut sein. Das ist bei Herrn D. nun bedauerlicherweise nicht der Fall. Daraus folgt dann die Kette von Missverständnissen, die ich in allen Einzelheiten auf den folgenden Seiten analysiert habe. Dieses Gutachten ist in weiten Teilen nachweislich unsachlich und arbeitet hin und wieder sogar mit unfairen Unterstellungen.

Ich hatte bei der Analyse Ihres (N.: D's) Gutachtens zwar keine Schwierigkeiten, die Hauptpunkte sachlich zu widerlegen, aber angesichts der oben genannten Punkte doch manchmal Probleme, konsequent einen sachlichen Ton zu bewahren. Aber ich glaube, dass mir das dennoch im großen und ganzen gelungen ist.

Mit der Bitte um Stellungnahme verbleibe ich mit freundlichen Grüßen. (W.-E.L.)

(N.: Hervorhebungen im Text von Prof. D. von ihm.)

(Prof. D.:)"Stellungnahme zum Buch von Wo1f-Ekkehard Lönnig: Artbegriff, Evolution und Schöpfung, 3. Aufl., 1988.

Die folgenden Überlegungen sind der Versuch einer knappen kritischen Würdigung, die sich auf die wesentlichen Punkte des Werkes, insbesondere auf dessen kritische Zielsetzung konzentriert denn dies ist ja vermutlich das hauptsächliche Anliegen des Autors. Der Übersichtlichkeit halber sind meine kritischen Überlegungen in Form von Punkten zusammengefasst (die durch mit Kleinbuchstaben bezeichnete Unterkapitel erläutert werden).

Fairerweise möchte ich gleich eingangs bekennen, dass ich die S. 10 ("für den Anfänger") empfohlenen Bücher von H. Kahle und von R. Junker & S. Scherer sowie das anscheinend anonyme (? von der Watchtower Bible & Tract Society herausgegebene und daher erstaunlich weit verbreitete?!; S. 282) "beste populärwissenschaftliche" Buch (bis jetzt) nicht gelesen habe."

(W.-E.L.:) Mein Hinweis auf S.10 wird nicht genau wiedergegeben. Weiter meine ich schon, dass es empfehlenswert wäre, zur Beurteilung einer kritischen Arbeit mit den Grundfragen sehr gut vertraut zu sein, wozu ein entsprechendes Studium der einschlägigen Literatur weit über die drei hier genannten Titel hinaus gehört.

(Prof. D.:) "1) Die Zielsetzung ist erfreulich, lobenswert, interessant und wichtig, aber etwas unklar formuliert. Ausführung und Ergebnisse sind gleichfalls etwas unübersichtlich und undeutlich. Dass der Autor den Mut aufbringt, sich an die Grenze zwischen Naturwissenschaft und Philosophie/Theologie heranzuwagen, ist jedoch sehr anerkennenswert. Allerdings ist er sich m. E. zuwenig bewusst, dass es sich hierbei um radikal verschiedene Themen und Methoden handelt und dass beides nicht vermischt werden darf, sondern ein besonders hohes Ausmaß an Methodenbewusstsein erfordert. Das Buch ist aufgrund seiner Thematik viel stärker philosophisch orientiert (im Einklang mit dem Titel), als es in die Argumentation den Anschein erweckt."

(W.-E.L.:) Die Zielrichtung ist klar formuliert, Ausführung und Ergebnisse sind übersichtlich und deutlich. Ich bin mir der Themen und Methoden wohl bewusst. Das Buch ist keineswegs "viel stärker philosophisch orientiert" als es die ausführliche naturwissenschaftliche Argumentation zeigt.

(Prof. D.:) "a) Die offenkundige allgemeine Zielsetzung des Buches, nämlich eine kritische, vorurteilsfreie Auseinandersetzung mit der von der großen Mehrheit der Biologen seit langem akzeptierten Synthetischen Evolutionstheorie (= "Neodarwinismus"), ist berechtigt und positiv zu würdigen. Die Forderung des Autors, keine Dogmen zu akzeptieren und alles hinterfragen zu dürfen, ist selbstverständlich ebenfalls berechtigt und notwendig, wenn auch mit der weiter unten zu behandelnden prinzipiellen Einschränkung.

b) Die Fülle der verarbeiteten Literatur ist beeindruckend, die Methode des direkten Zitats ist grundsätzlich durchaus angebracht.

c) Einen schwerwiegenden grundsätzlichen Mangel des Buches sehe ich allerdings in der wenig präzisen und überhaupt nur mangelhaft expliziten Darstellung der Zielsetzung und Methodik, was bei einem naturwissenschaftlichen und dazu noch betont kritischen Werk verwundert. Aus Vorwort, Einleitung und Zusammenfassung und Schlussbetrachtung lässt sich leider nur recht mühsam, umständlich und ziemlich ungenau das Anliegen des Buches erkennen oder erahnen:"

Ich bekenne offen, dass ich völlig verblüfft bin! Irgendwo habe ich einmal den Hinweis gelesen, dass Buchbesprechungen häufig mehr über den Rezensenten aussagen als über das Buch.

Zielsetzungen:

1. "...Beitrag zur Entmythologisierung der Evolutionstheorie" durch Infragestellung naturwissenschaftlich unbegründeter neodarwinistischer u. a. Behauptungen und Dogmen (Vorwort, S. 6).

2. Es geht "um nichts weniger als die Vollendung des Mendelschen Ansatzes durch den gründlichen Ausbau des genetisch-plasmatischen Artbegriffs (Lamprecht) als objektive Artabgrenzung für nahezu die gesamte botanische und zoologische Systematik und den Ursprung der Lebensformen - und damit nicht zuletzt um die existenzielle Frage nach Zufall und/oder Plan im Organismenreich" (Vorwort zur 3. Auflage S. 7/8).

3. Nach Hinweis auf unterschiedliche Artbegriffe von Gradualismus und Punktualismus, Neutraler Theorie, Neolamarckismus und Kreationismus: "Kein Wunder also, dass ein Teil der Diskussionen auf Missverständnisse zum Artbegriff zurückzuführen ist. Hier Klarheit zu schaffen, ist ein wesentliches Anliegen der vorliegenden Arbeit. Ein weiteres Anliegen ist die Frage, ob nicht allein nach biologisch-logischen Kriterien eine Wertung der verschiedenen Artbegriffe möglich ist und ein objektiver Artbegriff aufgebaut werden kann (Einleitung, S. 9).

Wieso diese Zielsetzung so "wenig präzise" und "mangelhaft explizit" sein soll, dass man "leider nur recht mühsam, umständlich und ziemlich ungenau das Anliegen des Buches erkennen oder erahnen kann" ist mir sachlich-logisch absolut nicht nachvollziehbar. Deutlicher, direkter und genauer kann man doch die Zielsetzungen der Arbeit kaum mehr formulieren. Die Zusammenfassung S. 468-473 geht darüber hinaus noch explizit in Details. Aber selbst wer mit diesen denkbar klaren und deutlichen Zielsetzungen nichts anzufangen wüsste, hätte aus dem großgedruckten Umschlagtext die Hauptpunkte erfahren können. Napp-Zinn, Professor für Botanik an der Universität zu Köln, schreibt 1991, S. 234 (Excerpta Botanica 52/3) in seiner Buchbesprechung:

"Natürlich hält Lönnig mit seinen eigenen Ansichten nicht hinter dem Berg; sie artikulieren sich auch in dem Fazit dieser Zusammenstellung, das man kaum treffender kurz zusammenfassen kann als mit Lönnigs eigenen Worten auf dem hinteren Einbanddeckel:

"1. Durch falsche Artabgrenzungen operiert man mit viel zu hohen Artenzahlen.

2. Die evolutionistischen Paradebeispiele der Artbildung sind sekundäre Erscheinungen und haben mit dem Ursprung der synorganisierten Ordnung und Komplexität der Lebensformen nichts zu tun.

3. Die primären Arten sind nicht auf blinde Zufälle zurückzuführen, sondern das Ergebnis intelligenter Schöpfung.""

Da Sie zu einer differenzierten Stellungnahme und Beurteilung der Arbeit bereit waren, sollte ich voraussetzen, dass Sie das Buch gründlich studiert haben. Ich möchte Sie daher nun einmal höflich fragen, wie Sie eine präzise, explizite Zielsetzung des Buches deutlicher formulieren würden.

Zur Erklärung Ihres Kommentars möchte ich folgendes vermuten (korrigieren Sie mich bitte, falls das nicht zutrifft): Nach Ihrem Verständnis hat die Synthetische Evolutionstheorie bereits die Zielsetzung des Buches in allen wesentlichen Punkten so weit und überzeugend erklärt, dass es für Sie schwer nachzuvollziehen ist, was das Anliegen der Arbeit sein könnte. Aber selbst ein solches Vorverständnis lässt noch nicht den Schluss zu, dass das Anliegen etc. "wenig präzise", "mangelhaft explizit" 'recht mühsam, umständlich und ziemlich ungenau' dargestellt und zu erkennen ist etc. - In diesem Zusammenhang erscheint mir folgender Punkt bedeutsam: Wie die Biologiegeschichte zeigt, haben Darwinismus und Neodarwinismus mit ihrem "metaphysical uniformitarianism" (Salthe) wiederholt den wissenschaftlichen Fortschritt manchmal um Jahrzehnte verzögert. Solange man glaubt, bereits die wissenschaftlich verbindliche Antwort auf eine in Wirklichkeit offene Frage zu besitzen, solange wird man wohl weiteren Versuchen zu ihrer Beantwortung nur mehr oder weniger verständnislos gegenüberstehen. Die Geschichte der Mendelschen Regeln ist dafür ein Musterbeispiel. Und da es in meiner Arbeit in Verbindung mit dem Artbegriff u. a. um die Vollendung des Mendelschen Ansatzes geht, - ein Unterfangen, dass nach meinem bisherigen Eindruck bei Ihnen nun wiederum auf rational nicht nachvollziehbare(s) Unverständnis und Ablehnung stößt - ,zieht sich diese Frage bis auf den heutigen Tag hin. Vielleicht geht unsere Korrespondenz einmal in die Biologiegeschichte ein.

 

Methodik

"Wissenschaftliches Fragen, in der objektivierenden, rational-empiriokritischen Naturwissenschaft, nimmt die Fragen zunächst aus dem Bereich der mit den Sinnesorganen wahrgenommenen Diskreta (Phaenomene) heraus und behandelt diese in einer bestimmten Verfahrensweise (Beschreibung, Benennung, Definition abgezogener Begriffe, Systematisierung - Deduktion, Induktion, Analyse - Synthese - Generalisationen: Hypothesen)" etc. (K. Günther; vgl. Artbegriff S. 288). Das ist die übliche naturwissenschaftliche Verfahrensweise und auch in meiner Arbeit zitierte und angewandte grundlegende Methodik, wobei es in der Biologie und anderen Naturwissenschaften keineswegs Brauch ist, diese beim Verfassen einer wissenschaftlichen Arbeit erst jedes Mal ausführlich zu diskutieren. Dennoch habe ich explizit auf den "induktiven Aufbau" (Einleitung, S. 7/8) aufmerksam gemacht und dazu weitere Literatur angegeben (S. 8 und S. 207, Fußnote; vgl. auch S. 288 und S. 290 zur 'hier betriebenen Arbeitsweise').

An den Tatsachen orientiert, hätten Sie genauer schreiben können: "Einen weiteren, grundsätzlichen Pluspunkt des Buches sehe ich in der präzisen und überhaupt expliziten Darstellung der Zielsetzung und Methodik, was bei einem naturwissenschaftlichen und dazu betont kritischen Werk nicht verwundert . Aus Vorwort, Einleitung und Zusammenfassung und Schlusswort lässt sich erfreulicherweise schon sehr direkt und ziemlich genau das Anliegen des Buches erkennen."

(Prof. D.:) "Beim Studium des Buches wird dem Leser allmählich klar, dass es dem Autor nicht nur um das Klarlegen von Schwachstellen der S.E. (= Synthetischen Evolutionstheorie) geht, sondern auch oder vielleicht sogar in erster Linie darum, mögliche Ansatzpunkte oder Freiräume für eine "Schöpfungslehre" (Kreationismus) aufzuzeigen.

(W.-E.L.:) Zunächst erscheint es mir aus verschiedenen Gründen angebracht, zwischen den Begriffen Kreationismus und Schöpfungslehre zu differenzieren (vgl. Artbegriff S. 282 und 471 und Fußnote S. 53).

Es geht in erster Linie darum, den realhistorischen Ablauf der Artbildung und die realhistorischen Ursachen dazu zu erfassen sowie die bisher gewonnenen Erkenntnisse zu diesen Fragen zu vermitteln.

Da der totalitäre Neodarwinismus glaubt, bereits die ganze Welt erklärt zu haben (Rensch), sich aber in allen wesentlichen Punkten als unzureichend erwiesen hat (vgl. Scabiosa, Utricularia, den Fossilbericht, die Entstehung des Lebens, den Ursprung des Menschen als einige Musterbeispiele unter tausend ähnlichen), geht es geistesgeschichtlich natürlich auch darum, Freiräume u. a. für neue genetische Ansätze sowie positive biologische Evidenzen für eine grundsätzliche Alternative, die Schöpfungslehre, aufzuzeigen. Ich habe bisher von keinem anderen Leser gehört, dass ihm das erst 'beim Studium des Buches allmählich bewusst' geworden ist.

(Prof. D.:)"e) Diese anscheinend wesentlichsten (übrigens auch interessantesten) Punkte des Buches werden erst in dem Anhangkapitel "Diskussion" (Auseinandersetzung mit den kritischen Einwänden eines anonymen Evolutionsbiologen) sichtbar. (S. 588-599), ebenso aus dem Nachwort von P. Rahn und H. Kahle (S. 621)."

(W.-E.L.:) Wie oben nach Napp-Zinn zitiert, werden diese Punkte schon auf dem Buchumschlag so deutlich sichtbar, dass man sie "kaum treffender kurz zusammen fassen kann".

(Prof. D.:) "f) Umso enttäuschender ist dann das dieser Schöpfungsthematik - die offensichtlich als Antithese zur Evolutionstheorie verstanden wird - gewidmete Kapitelchen IV.4 "Der Artbegriff der Schöpfungslehre", in dem hauptsächlich von der Kreuzung zwischen Schaf und Ziege und der Hybridisierung bei Hühnervögeln die Rede ist."

(W.-E.L.:) Das 'Kapitelchen', 'in dem hauptsächlich von der Kreuzung zwischen Schaf und Ziege' etc. die Rede ist, setzt sich kritisch mit dem kreationistischen Artbegriff auseinander (vgl. meinen Brief vom 26. 8. 94). Sie haben das bedauerlicherweise nicht verstanden, weil Sie weder die Literatur noch die Zusammenhänge in dieser Frage kennen. [Nachtrag: Der Leser urteile anhand des Studiums des Kapitels bitte selbst, ob Herr D. eine faire Begutachtung vorgenommen hat: Der Artbegriff der Schöpfungslehre. Zur weiteren Beurteilung vgl. auch die übrigen Kapitel der Artbegriffsarbeit.]

(Prof. D.:) "Die offenkundig für das ganze Buch grundlegendsten und wichtigsten und thematisch interessantesten Ausführungen sind hier leider auf 9 Seiten in leserfeindlichem Kleinstdruck beschränkt (S. 282-290) (weil Selbstzitat des Autors aus einem früheren Werk)."

(W.-E.L.:) Der erste Teil des Satzes trifft jedenfalls auf den Artbegriff der (generellen) Schöpfungslehre zu. Beim "leserfeindlichen Kleinstdruck" kann ich Ihnen nur zustimmen. Ich habe daher jetzt zwei DINA4-Exemplare der Arbeit Herrn (X) zukommen lassen. Darüber hinaus plane ich, diesen Teil der Arbeit noch einmal in leserfreundlichem Großdruck zu publizieren.

(Prof. D.:) "Die mangelhafte Präzision der Fragestellung, Methodik und Präsentation der Ergebnisse (das wären auch kritische Thesen) sowie das Gefühl, als würden unausgesprochene Beweggründe eine wichtige Rolle spielen, erweckt beim Leser den Eindruck, als würde der Autor seine eigene Forderung nach offener, vorurteilsfreier, kritischer Vorgangsweise missachten."

(W.-E.L.:) Fragestellung, Methodik und Präsentation der Ergebnisse sind äußerst präzis. "Natürlich hält Lönnig mit seinen eigenen Ansichten nicht hinter dem Berg..." (vgl. oben Napp-Zinn). Alle Beweggründe sind ausgesprochen. Könnte es nicht sein, dass Ihr Gefühl Sie zu falschen Eindrücken führt?.

(Prof. D.:) 2) Die Thematik Evolution und/oder Schöpfung kann (und muss) aus mindestens zweierlei Sicht diskutiert werden: Aus A) naturwissenschaftlicher (also biologischer, siehe Punkt 3) und aus B) philosophischer. An diese (B) lässt sich (C) eine theologische (oder religiöse) anschließen. B) und C) können im folgenden leider nicht ausreichend behandelt werden.

a) Diese drei Sichtweisen (Methodiken) sind prinzipiell voneinander verschieden und müssen daher methodisch sorgfältig auseinandergehalten werden, was leider in diesem Buch nicht oder nur sehr unzureichend der Fall ist. Ob und inwieweit der Autor theologische Fragen ernsthaft diskutieren will, bleibt leider unklar, denn es werden nur einige (durchaus interessante) Andeutungen geboten. (Der Autor getraut sich offenbar nicht, weil er doch den Anschein des Naturwissenschaftlers wahren will; andererseits verwendet er den Begriff Schöpfung sogar im Titel: Das halte ich für einen gewissen Widerspruch.)

(W.-E.L.:) Wie soll man theologischen Fragen, die man gar nicht diskutiert, methodisch von den biologischen auseinanderhalten? "Der Autor getraut sich offenbar nicht, weil er doch den Anschein des Naturwissenschaftlers wahren will; ..." Das eine schließt das andere doch nicht aus! ("...den Anschein wahren" ist unfair: ich habe eine umfangreiche, saubere, wissenschaftliche Arbeit vorgelegt; vgl. Buchbesprechung H. van Waesberghe in Theor. Appl. Genet 79: 431; 1990.) Weiter hat z. B. Isaak Newton mehr über theologische Fragen geschrieben als über naturwissenschaftliche (auch in Verbindung mit naturwissenschaftlichen Problemen) und zählt dennoch zu den größten Naturwissenschaftlern aller Zeiten. Könnte der "gewisse Widerspruch" nicht eher auf Ihrer subjektiv-gefühlsbedingten Ablehnung der Artbegriffsarbeit beruhen?

(Prof. D.:) "b) Grundsätzliches zur naturwissenschaftlichen Methodik: Naturwissenschaft hat grundsätzlich nicht die totale Welterklärung zum Ziel, sondern die intersubjektiv nachvollziehbare (objektive) Beschreibung der Natur einschließlich der Beziehungen zwischen den Phänomenen mit den Mitteln der Logik. Wesentlich und charakteristisch ist dabei die Auflösung, Rückführung (Reduktion) aller qualitativer Phänomene und Begriffe auf quantitativ Beschreibbares. Naturwissenschaftlich "erklären" heißt quantifizieren. Naturwissenschaftliche Erkenntnis ist also durch diesen methodischen Rahmen definiert. Was dieser Methodik, zu der auch die bekannten Popperschen Falsifikationsforderungen etc. gehören, entspricht, ist naturwissenschaftlich wahr. Es gibt also tatsächlich naturwissenschaftlich sinnlose Fragen, nämlich solche, die über diesen - manchem vielleicht eng erscheinenden - Rahmen hinausgehen: Wenn es keine naturwissenschaftliche Methodik zur Beantwortung gibt, ist die Frage sinnlos."

(W.-E.L.:) Wenn ich das zunächst einmal auf Ihre gefühlsbedingten und den Realitäten wenig angemessenen Kommentare zu meiner Artbegriffsarbeit anwenden darf, dann handelt es sich hier um ein unwissenschaftliches Gutachten! Denn ich wüsste nicht, wie man Ihre qualitativ-abwertenden Bemerkungen quantitativ auflösen oder intersubjektiv und logisch nachvollziehen könnte. Auch sind Ihre mehr gefühlsbedingten Abwertungsversuche (zumindest für Sie und diejenigen, die ähnlich fühlen) vermutlich nicht falsifizierbar, so dass sich - ganz im Sinne der obigen Kriterien - die Frage stellt, ob es sich hier nicht um naturwissenschaftlich sinnlose Kommentare handelt.

Als nächstes liegt fast der gesamte Neodarwinismus als historische Wissenschaft außerhalb dieser Definition: Deshalb hat Popper auch (unwiderrufen!) die Synthetische Evolutionstheorie als metaphysisches Forschungsprogramm bezeichnet.

Im Zusammenhang damit möchte ich Sie bitten, mir doch einmal die Falsifikationskriterien für den Neodarwinismus zu nennen! Die Behauptungen der Theorie sind intersubjektiv nicht nachvollziehbar: Mutationen mit "slight or even invisible effects on the phenotype" sollen den Ursprung aller synorganisierten Strukturen des Lebens, von Utricularia bis zum Auge und Gehirn des Menschen erklären: Hier stellt sich nun z. B. die Aufgabe, die Entstehung von Utricularia objektiv nachvollziehbar in vielen kleinen Schritten zu erklären (alle mit entscheidenden Selektionsvorteilen) und weiter dazu die Falsifikationskriterien aufzuführen! - Gibt es (für die Synthetische Evolutionstheorie) Falsifikationskriterien für die neodarwinistische Deutung der fossilen Befunde? Wenn ja, welche? - Wie könnte man die Inhalte der Serie widersprüchlicher Ableitungen zur Entstehung der Angiospermen quantifizieren oder die Inhalte aller derzeit inkongruenten phylogenetischen Stammbäume? Quantifizieren Sie bitte den Begriff "Zufall" in Monods und anderer Verfasser Behauptungen (Artbegriff, S. 573/74), sowie denselben Zufallsbegriff bei der neodarwinistischen Deutung der Entstehung des Lebens und/oder der Entstehung der Pflanzen- und Tierwelt oder bei der Entstehung des Menschen! Nach allem, was ich bisher verstehen kann, liegen sämtliche singulären (Zufalls-)Erscheinungen außerhalb der oben genannten wissenschaftlichen Methodik. "Es gibt also tatsächlich naturwissenschaftlich sinnlose Fragen" (und Antworten, möchte ich hinzufügen) ", nämlich solche, die über diesen...Rahmen hinausgehen." Die Synthetische Evolutionstheorie ist folglich keine naturwissenschaftliche Erklärung des Ursprungs der Lebensformen.

Wenn Sie überhaupt alle qualitativen Phänomene und Begriffe auf quantitativ Beschreibbares reduzieren wollen, werden Sie am Ende nichts mehr in der Hand haben.

(Prof. D.): "Die Frage nach dem Konstrukteur ist daher tatsächlich vom Naturwissenschaftler grundsätzlich abzulehnen."

(W.-E.L.:) Wenn man die naturwissenschaftliche Denk- und Arbeitsweise wie oben zitiert auf den Naturwissenschaftler (als ganzen Menschen!) begrenzt und beschränkt, wird man dem Autor zustimmen. Ich stelle mir zur Veranschaulichung nur einen solchen Naturwissenschaftler vor, der - sagen wir - auf dem Mars ein ihm bisher unbekanntes komplexes und vielfach vernetztes Computer- und Datenverarbeitungssystem entdecken würde, ohne deren Erfinder zu kennen oder ohne weiteres identifizieren zu können. Was macht er nun mit seiner naturwissenschaftlichen Denk- und Arbeitsweise? Antwort: "Die Frage nach dem Konstrukteur ist daher tatsächlich vom Naturwissenschaftler grundsätzlich abzulehnen!" Er wird folglich alle qualitativen Phänomene auf quantitative reduzieren wollen und dann eine entsprechende naturwissenschaftliche Theorie formulieren (siehe weitere Beispiele und Diskussion, Artbegriff S. 285 ff.). Und ich behaupte nun mit allem Nachdruck, dass kein halbwegs normaler Naturwissenschaftler in dieser Situation so vorgehen würde. Fast jeder Naturwissenschaftler wird nach dem intelligenten Ursprung und nach dem (oder den) Konstrukteur(en) fragen. Und genau deswegen zeige ich auch immer wieder die Identität kybernetischer Systeme in Biologie und Technik auf. Die Frage ist auf beiden Gebieten nicht nur legitim, sondern zur Wahrheitsfindung absolut unerlässlich (vgl. weiter Artbegriff S. 286).

Wenn man nicht den Naturwissenschaftler, sondern nur die Naturwissenschaft in der oben zitierten Weise beschränkt (was ja auch für weite Bereiche völlig legitim ist) und in diesem Rahmen die Schlussfolgerung von der Konstruktion auf den Konstrukteur grundsätzlich verbietet, dann kann man - um nicht völlig an den Realitäten vorbei zu gehen - auf der anderen Seite aber auch argumentieren, dass die Biologie eben mehr ist als nur beschränkte Naturwissenschaft (von Buddenbrock, Portmann, Troll, Eckardt, S.Vogel, O.Kuhn, Spemann, von Frisch, Eccles und viele andere). Die Biologie ist dann zumindest in den Ursprungsfragen auch 'Geisteswissenschaft' und damit sind diese Fragen und Schlussfolgerungen auch innerhalb der Biologie wieder legitim. Weiter darf man darauf hinweisen, dass die Schlussfolgerung von der Konstruktion auf den Konstrukteur aufgrund aller Erfahrungen sowohl logisch als auch intersubjektiv nachvollziehbar ist (vgl. weiter Artbegriff S. 288 oben).

(Prof. D.:) "Das ist kein feiges oder illegitimes oder vorurteilsbelastetes Denkverbot, sondern im Gegenteil eine Notwendigkeit für den methodisch sauber und ehrlich arbeitenden Wissenschaftler."

(W.-E.L.:) Welch Adjektive! Da steht unser Naturwissenschaftler in der obigen Veranschaulichung vor dem komplexen und vielfach vernetzten Computer- und Datenverarbeitungssystem und will dessen Herkunft "naturwissenschaftlich", d. h. mit den zitierten Einschränkungen, erklären. Er lehnt daher die Frage nach dem Konstrukteur kategorisch ab und erklärt, dass sei "kein feiges oder illegitimes oder vorurteilsbelastetes Denkverbot, sondern im Gegenteil eine Notwendigkeit für den methodisch sauber und ehrlich arbeitenden Wissenschaftler". Mehr noch, er versucht diejenigen, die die richtige Frage stellen, in ihrer Arbeit und ihrem Fortschritt zu behindern und behauptet, nur seine Fragestellung und Methodik sei sauber und ehrlich. Gleichzeitig baut er jedoch zur Ursprungsfrage ein nicht verifizierbares, nicht falsifizierbares und nicht quantifizierbares Erklärungssystem auf, in dem "der Zufall" eine entscheidende Rolle spielt. Ich meine, die Frage muss erlaubt sein, ob das wirklich noch sauber und ehrlich ist, von der Toleranzfrage ganz zu schweigen. - Was auf die Methodik zur Entschlüsselung der Funktion der Systeme zutrifft, kann bei der Frage nach dem Ursprung der Systeme völlig verfehlt sein.

(Prof. D.:) "Das ist leicht einsehbar: Wäre das nämlich eine wiss. legitime Frage, würde sich die Sinnhaftigkeit der Wissenschaft dadurch von selbst aufheben, denn es gäbe dann keine Grenze zwischen Willkür, Phantasterei, Scharlatanerie, subjektiver Spekulation und Einbildung auf der einen und rationaler, intersubjektiver Wissenschaft auf der anderen Seite. Wenn ich als Lösung von Problemen grundsätzlich einen deus ex machina als mögliche Erklärung akzeptiere, kann ich nicht mehr vernünftig Wissenschaft betreiben. Es gäbe dann ja keine wissenschaftlichen Probleme mehr, wenn ich überall das Eingreifen des Irrationalen zulassen könnte. Wenn die Zuhilfenahme einer in die Welt eingreifenden "Intelligenz", einer "intelligente Quelle", eines intelligenten Konstrukteurs u. dgl. erlaubt wäre, fiele die ganze Wissenschaft in sich zusammen. (Eine philosophisch mögliche Position, der der Autor aber nicht zustimmen kann, weil er damit konsequenterweise seine Eigenschaft als Wissenschaftler, also seinen Beruf aufgeben müsste.)"

(W.-E.L.:) Ich habe diese Einwände schon ausführlich in der Artbegriffsarbeit diskutiert und widerlegt (vgl. S. 283 - 290). Anstatt diese Diskussion aufzugreifen, wiederholen Sie nur die zwar längst überholten, aber immer noch üblichen unhaltbaren Behauptungen zu diesen Fragen. Ich bitte Sie, nun doch einmal auf diese Widerlegung einzugehen.

Dass die ganze obige "Argumentation" falsch ist, zeigt allein die Tatsache, dass fast "alle Begründer der modernen Biologie, wie Linné, Cuvier, von Baer, Pasteur, Johannes Müller, Agassiz, und viele andere (in neuerer Zeit wären z.B. Kuhn, Portmann, Troll, Thompson, W.R., Spemann, Uexküll u.a." mit der Erkenntnis des Geistigen als Ursache für den Ursprung der Organismenwelt bzw. mit einem intelligenten Konstrukteur gerechnet haben (vgl. Artbegriff S. 289). Für die Pioniere der modernen Biologie war der Schluss auf einen intelligenten Konstrukteur selbstverständlicher Teil ihrer Arbeit. Wäre Ihre Meinung richtig, dann hätten alle diese genialen Köpfe besser ihren Beruf aufgegeben: sie hätten keine vernünftige Wissenschaft treiben können bzw. hätte ihre ganze Wissenschaft in sich zusammenfallen müssen. Sie dürften eigentlich gar keine wissenschaftliche Probleme gehabt haben, womit sich die Sinnhaftigkeit der Wissenschaft von selbst aufgehoben hätte. Und nach Ihren Hypothesen kann es einen Linné, Cuvier, Pasteur etc. überhaupt nicht gegeben haben.

Es ist der Neodarwinismus, der einen deus ex machina mit seinem Faktorensystem von Mutation und Selektion geschaffen hat. Wo immer es um die Herkunft einer komplexen Struktur, den Ursprung eines synorganisierten Systems und um die Entstehung neuer Baupläne geht, wird ohne Evidenz dieses Faktorensystem in die Wissenslücke eingesetzt und damit das Problem für zunächst einmal prinzipiell erklärt betrachtet. Haltlose Hypothesen zur Entstehung des Lebens (verkündet als wissenschaftliche Tatsachen) bis hin zur Piltdown-Fälschung sowie die endlose (über 130-jährige) Produktion sich widersprechender Stammbäume: Hier findet man zahllose Beispiele von Willkür, Phantasterei, Scharlatanerie, subjektiver Spekulation und Einbildung!

Man sollte übrigens Intelligenz etc. nicht mit Irrationalität gleichsetzen!

(Prof. D.:) "d) Es handelt sich hier also um das alte Vitalismus-Problem, das zu Anfang und in der Mitte dieses nun zu Ende gehenden Jahrhunderts etwa in der Auseinandersetzung mit dem sogen. Neovitalismus eines H. DRIESCH ausgiebigst diskutiert worden ist. Driesch wird zwar im Lit.-Verz. erwähnt, aber der diesbezüglichen philosoph. Diskussion wird wohl zu wenig Raum gegeben.

e) Daraus folgt nun umgekehrt zwingend, dass die Naturwissenschaft prinzipiell niemals Aussagen über "außerwissenschaftliche" Kräfte machen kann. Sie ist dafür a priori blind. Auf diese Weise und nur so lässt sich übrigens ein Bereich für die intellektuelle Möglichkeit von Theologie und Religion "freihalten". Nicht aber dadurch, dass eine Vitalkraft (religiös gesprochen: = Gott) in das naturwissenschaftlich Aufweisbahre eingreift. (Das würde Gott zum Lückenbüßer degradieren, was natürlich theologisch unhaltbar ist; siehe Punkt 4!)"

(W.-E.L.:) Aussagen über "außerwissenschaftliche Kräfte": In dem oben gegebenen Beispiel des Naturwissenschaftlers vor dem Computersystem darf und wird er den Schluss auf eine intelligente Ursache ziehen (vgl. weiter Artbegriff, S. 290). Der Vorwurf, eine intelligente Ursache sei ein Lückenbüßer für noch nicht verstandene physiko-chemische Prozesse, wäre absurd. Ich habe die Geschichte von Gott als "Lückenbüßer" ebenfalls ausführlich in der Artbegriffsarbeit diskutiert und die Unhaltbarkeit dieser stereotyp erhobenen Behauptungen aufgezeigt (vgl. S. 287/288). Es wäre überdies bedauerlich, wenn nur mit einem gravierenden Fehlschluss (dass nämlich auch die genialsten Konstruktionen in der Natur niemals den Schluss auf einen Konstrukteur zulassen) ein Bereich für die intellektuelle Möglichkeit von Theologie und Religion 'freizuhalten' wäre.

(Prof. D.:) "f) Naturwissenschaft kann daher grundsätzlich nicht alle, ja nicht einmal die menschlich relevanten Fragen beantworten. Darüber denkt der Philosoph nach, der versucht, bis an die äußersten Grenzen des Denkens zu gehen und für den es prinzipiell keine methodische Grenze gibt, er geht sozusagen bis zu den Grenzen der Leistungsfähigkeit unseres Gehirns. Noch weiter geht der Theologe oder genauer: der religiöse Mensch (denn der Theologe ist immer noch +- der Ratio verpflichtet) oder eigentlich überhaupt jeder bewusst und verantwortlich, also moralisch handelnde Mensch, der sich mit Sinnfragen befassen muss (wenn er nicht auf sein Menschsein verzichtet). Die Naturwissenschaft kann, wenn sie richtig verstanden wird (wozu allerdings ein Mindestmaß an philosophischer Bildung nötig ist, die früher auch unsere Universitäten verpflichtend vermitteln wollten - leider sind sie dabei gescheitert und produzieren daher heute von Amts wegen vornehmlich Fachidioten), diese Sinnfragen, die Frage nach dem "richtigen" menschlichen Handeln grundsätzlich nicht beantworten."

(W.-E.L.:) Wir sind uns darin vollkommen einig, dass die Naturwissenschaft grundsätzlich nicht alle, ja nicht einmal die meistem menschlich relevanten Fragen beantworten kann (vgl. wieder Artbegriff S. 290). Ich frage mich jedoch auch, ob eine Biologie, die den Schluss von der Konstruktion auf den Konstrukteur prinzipiell nicht zulassen will, nicht zu der gegenwärtigen Situation an den Universitäten beigetragen hat.

(Prof. D.:) "g) Ausgehend von dem Titel, der zwei naturwissenschaftliche (biologische) Begriffe, einen theologischen ("Schöpfung") enthält, wäre das Buch primär ein naturphilosophisches oder sogar theologisches, aber kein biologisches. Für die Diskussion zuständig ist daher primär ein/e Kollege/Kollegin von einer philosophischen Lehrkanzel. Dazu im Widerspruch erhebt der Inhalt des Buches anscheinend den Anspruch (genau wird das ja leider nirgends festgehalten, siehe Punkt 1!) auf naturwissenschaftliche Argumentation. Die philosophischen und theologischen Elemente sind zwischendurch und zwar recht spärlich und unübersichtlich eingestreut."

(W.-E.L.:) Wenn ein Buchtitel zwei biologische und einen theologischen Begriff enthält, könnte man paritätisch vielleicht noch vermuten (obwohl das schon merkwürdig genug wäre), dass sich das Buch zu etwa zwei Dritteln mit biologischen und einem Drittel mit theologischen Fragen beschäftigt. Um aber sicher zu sein, sollte man das Buch erst einmal gründlich studieren und sich dann aufgrund des gebotenen Stoffes ein Urteil bilden. Aber dass die Arbeit ausgehend vom Titel primär keine biologische, sondern eine naturphilosophische und/oder theologische wäre, halte ich - freundlich formuliert - für unlogisch. Was schließen Sie dann aus Titeln wie "Natürliche Schöpfungsgeschichte" (Haeckel) (ein Oxymoron, bestehend aus einem religiösen, einem historischen und einem naturwissenschaftlichen Begriff: vielleicht ein weiterer Traktat der Natural Theology, wofür die theologische Fakultät zuständig wäre oder doch besser ein Gutachtergremium aus drei Fakultäten?); - "Bully for Brontosaurus" (Gould) (vielleicht ein Buch über Bullterrier, die Brontosaurier ausgraben, womit ein Zuchtwart und ein Paläontologe zur Beurteilung zuständig wären?); "Parascript - Parasites and the Language of Evolution" (Brooks und McLennan) (wofür primär ein Sprachwissenschaftler angesprochen werden müsste?).

So kann man doch vernünftigerweise kein Buch beurteilen, geschweige denn klassifizieren und damit die zuständige Fakultät ausmachen. Nach Ihrem Fehlschluss aus dem Titel folgern Sie dann: "Dazu im Widerspruch erhebt der Inhalt des Buches anscheinend den Anspruch (genau wird das ja leider nirgends festgehalten, siehe Punkt 1!) auf naturwissenschaftliche Argumentation." Das Buch besteht fast ausschließlich aus naturwissenschaftlicher Argumentation. Eine vernünftige Beurteilung eines wissenschaftlichen Werkes setzt zunächst einmal dessen gründliches Studium voraus. "Die philosophischen und theologischen Elemente sind zwischendurch und zwar recht spärlich und unübersichtlich(?) eingestreut." Gerade diese Tatsache beweist, dass es sich primär um eine biologische Arbeit handelt !

(N.: zum Satz: "Die philosophischen und theologischen Elemente….": Wie hätte Prof. D. wohl Mendels Beitrag beurteilt?")

Der Titel meiner Arbeit lautet Artbegriff, Evolution und Schöpfung mit dem Untertitel Dokumentation und Diskussion der verschiedenen Auffassungen. Damit habe ich gesagt (und so haben es auch fast alle Leser verstanden), dass der Artbegriff im Zentrum meiner Untersuchengen steht und das Spannungsfeld der Diskussion von den verschiedensten evolutionistischen Ansätzen bis zur Schöpfungslehre reicht. Daraus von vornherein eine Gewichtung des Inhalts in der Weise abzuleiten, dass die Argumentation primär keine biologische wäre, ist weder logisch noch sachlich berechtigt. Im Gegenteil, der Hauptgegenstand der Untersuchungen ist der Artbegriff (ein naturwissenschaftlicher Begriff). (Die 1. Auflage hieß übrigens Artbegriff und Ursprung der Arten .)

(Prof. D.:) "Im folgenden daher zu allen drei Bereichen noch einige Anmerkungen: Biologie (Punkt 3), Philosophie (Punkt 4), Theologie (Punkt 5).

3) Entscheidend wichtig für die Thematik "Evolution versus Schöpfung" ist nicht der Artbegriff (siehe 3 b), sondern die zentrale These der S. E., wonach die im phylogenetischen Mikrobereich nachweisbaren Gesetzmäßigkeiten von Mutation und Selektion auch für den "Makrobereich" , also für die Entstehung der hierarchisch höherrangigen Taxa ausreicht. Dieses Problem "Makromutation" in naturwissenschaftlicher Sicht wurde m. W. besonders in der Mitte dieses Jahrhunderts ausführlich erörtert, vor allem in der umfangreichen Auseinandersetzung von Anhängern des "Neodarwinismus" ( ein salopper, aber durchaus statthafter synonymer Ausdruck für die S. E., diesbezüglich stimme ich den Ausführungen des Autors voll zu) wie z. B. HEBERER mit gewissen Paläontologen wie SCHINDEWOLF. Heberer hat mit seiner "Theorie der additiven Typogenese" auf die Einwände geantwortet."

(W.-E.L.:) Zur Behauptung, dass der Artbegriff für die Frage der Entstehung der Arten nicht entscheidend wichtig sei, möchte ich H. van Waesberghe zitieren (Buchbesprechung: Artbegriffsarbeit. Theor. Appl. Genet. 79: 431; 1990):

"The first question or his well-wrought account is: "what is a species?" Quite clearly this question should be the first one to be settled by anyone interested in the origin or species. The common practice is, however, quite different, and Mr. Lönnig is an exception in tackling the first question at the beginning. The first half of his book is dedicated to an inventory and criticism or morphological, Darwinian. genetical. palaeontological and creationist definitions of the species. When these definitions are used to estimate the total number of species, the outcome fluctuates between 2 and 20 million.

Some interesting topics or his inquiry are, for example: (1) is individual hybrid sterility decisive or does it result from the reproductive isolation or populations? (2) How do isolating barriers arise and function? (3) What is the proportion of genetic and epigenetic barriers? (4) Is genetic information stored in the nucleus (DNA) only or in the cytoplasm as well? (5) What do we do with sibling species? The author offers no hope on evolutionary progression by chromosomal reshuffling (polyploidy, gene duplication, inversions, deletions, transposons) that seem to be mere evolutionary noise. Such mutations destabilize the genetic balance, increasing indeed the variability, but not seidom is the balance restored by recurrent mutation. To cope with the difficulties of the species concept, the distinction of primary and secondary species is introduced; primary species are not hampered by gene-chromosome and genome-mutations, which are distinctive features of the secondary species.

The reader of this book is kept in touch with 1,400 plant and animal species and with about 2,000 authors, the latter often quoted to a large extent. As rare as I know, a better reference book on the species problem is not to be round anywhere."

Weiter hat das oben genannte Problem "Makromutation" in den letzten Jahren durch die Molekularbiologie ganz entscheidende Differenzierungen erfahren: Was einerseits auf der DNA-Ebene eine Punktmutation (z.B. Nukleotid-Substitution) sein kann, kann auf der Phänotypebene einschneidende Veränderungen, "Makromutationen", hervorrufen (siehe dazu unsere Arbeiten über homöotischen Blütenmutanten hier am MPI). Auf der anderen Seite können z. B. längere DNA-Sequenzen fast ohne Wirkung auf den Phänotyp verloren gehen. Die Hierarchie der Genfunktionen (Regulatorgene, Transkriptionsfaktoren und Targetgene) hat seit etwa 1980 die ganze Debatte wieder neu belebt. So erhofft sich z. B. H. Saedler mit seiner Evolutionsgruppe durch 'Macromutationen' sogar die Entstehung der Baupläne zu erklären.

Heberer hat zwar auf Schindewolfs Einwände geantwortet, aber sie nicht durch biologische Tatsachen widerlegen können.

(Prof. D.:) "a) Dass es im einzelnen nach wie vor auch heute viele offene Einzelfragen gibt, ist unbestreitbar. Dennoch ist — immer auf dem Boden reiner Naturwissenschaft - die Hypothese, dass für Mikro- und Makroevolution grundsätzlich dieselben Gesetze und Mechanismen wirksam sind, immer noch die beste. Alle alternativen Hypothesen über verschiedene Typen von Makromutation u. ä. konnten sich bisher nicht überzeugend durchsetzen. Auch eine Falsifikation jener für die S. E. wesentlichen Hypothese ist mir nicht bekannt, obwohl sie methodisch natürlich möglich wäre, wie bei jeder naturwiss. Hypothese oder Theorie."

(W.-E.L.:) Ich möchte dazu das intensive, ernsthafte und vorurteilsfreie Studium der neodarwinismus- und evolutionskritischen Literatur empfehlen. Der Neodarwinismus ist widerlegt (allerdings nicht für den Neodarwinisten, der in der Regel nicht einmal Falsifikationskriterien für seine Theorie nennen kann).

(Prof. D.:) "b) Sinn und Zweck der ausführlichen Zitatensammlung betreffend das Artproblem (Großteil des Buches: bis s. 324! ) erscheinen mir nicht recht einsichtig. Vor allem nicht auf Anhieb, denn es bleibt dem evolutionsbiologisch orientierten Leser zunächst rätselhaft, in welche Richtung die Kritik zielt bei der Auflistung von Phänomenen, die jedem Biologen oder zumindest jedem Taxonomen geläufig sind, warum hier also mit so großem Platzaufwand, mit so eindrucksvoller Vehemenz offene Türen eingerannt werden."

(W.-E.L.:) Es zeigt sich in Ihren Kommentaren bedauerlicherweise immer wieder, dass Sie - angefangen vom Titel - die ganze Arbeit nicht verstanden haben. Erklären Sie bitte einmal einem Hieracium-Spezialisten die Anwendung des genetischen Artbegriffs auf seine Systematik und fragen Sie ihn dann, ob ich mit "eindrucksvoller Vehemenz offene Türen" einrenne. Erklären Sie bitte weiter einem Neodarwinisten den genetisch-plasmatischen Artbegriff und zeigen Sie ihm, dass seine species in statu nascendi nichts mit Artbildung zu tun haben und er wird diese Einwände in der Regel mit "eindruckvoller Vehemenz" zurückweisen. Ihre Kommentare sind zum größten Teil einfach unsachlich.

(Prof. D.:) "Erst aus dem Gesamtstudium des Buches wurde mir die Tendenz des Autors sichtbar und verständlicher: Wenn ich die Problemstellung des Autors demnach richtig errate, legt er nämlich folgende unausgesprochene Auffassung zugrunde:

Der Begriff der Spezies spielt in der Evolutionsbiologie eine wichtige Rolle, also halten ihn die Evolutionstheoretiker offenkundig für wichtig, also besteht (oder sollte bestehen) darüber grundsätzliche Einigkeit. Artwandel (= Evolution) kann es nur geben, wenn es Arten gibt. Der Artbegriff ist demnach eine Säule des Evolutionismus und damit der S. E. Wenn sich also nun zeigen lässt, dass es gar keine eindeutig definierte Art gibt, dass sich die Biologen und Evolutionstheoretiker nicht einmal darüber, über diese tragende Säule ihrer Theorie einig sind, wenn sich somit nachweisen lässt, dass diese Säule morsch ist, dann lässt sich damit leicht die ganze Evolutionistik zum Einsturz bringen und dann hat der Große Intelligente Lenker und Konstrukteur freie Bahn, d. h. ein reiches Betätigungsfeld."

(W.-E.L.:) Falsch! Wieder alles falsch! Erst behaupten Sie, dass Ihnen die Tendenz des Autors aus dem Gesamtstudium sichtbar und verständlicher wurde, und dann raten Sie die obige Geschichte! Um es wieder so freundlich wie möglich zu sagen: nichts dergleichen, was Sie nun glücklicherweise erfasst zu haben meinen, ist mir in den Sinn gekommen oder war Absicht und Ziel meiner Arbeit.

Anschließend widerlegen Sie nun die von Ihnen erfundene Geschichte. Hier ist nun wirklich die Veranschaulichung von dem Strohmann, den jemand aufstellt, um auf ihn dann aus dem Weg zu räumen, sehr passend:

(Prof. D.:) "c) So bestechend diese Argumentation auf den ersten Blick ist, muss ich dagegen gewichtige Einwände vorbringen:

Dass es keine genau und allgemeingültig definierbare Art gibt, ist eines der besten Argumente für die Evolutionstheorie, insbesondere für die S. E. Der Artbegriff stammt nämlich nicht von den Evolutionsbiologen, sondern aus der klassischen, vor-darwinistischen, beschreibenden Taxonomie. Vielleicht stammt er sogar aus der vorwissenschaftlichen Alltagsbegrifflichkeit (oder aus der Bibel: Arche Noah!). Auch die aristotelische Logik muss hier natürlich in Betracht gezogen werden (Hierarchie Art/Gattung). Die Vorstellung von Arten als Wesenheiten ist ganz eindeutig ein Begriff der platonischen "idealistischen" Philosophie (griech. eidos = lat. species), also ein qualitativer Begriff, der von der Naturwissenschaft (= NW) pflichtgemäß "zerlegt", d. h. quantifiziert, d. h. reduziert werden muss. Genau das leistet die Evolutionstheorie, womit sie sich als gute, ordentliche nw. Theorie ausweist: Arten gibt es als philos. Idee, als wiss. A priori, als methodische Fiktion, aber nicht in evolutionsbiologisch-analysierend-quantifizierender Betrachtung."

(W.-E.L.:) Es ist vor allem der morphologische Artbegriff, der nicht von den Evolutionsbiologen stammt! Wenn ich aber an den Mayrschen biologischen Artbegriff denke, sieht die Sache ganz anders aus: "While in New Guinea, Mayr noticed, that the natives recognized the same species distinctions in the local birds that Western naturalists did. That fact convinced Mayr that species are real biological units and not arbitrary taxonomic inventions" (Rennie; Scient. Amer.; August 1994, S. 14/15). Vgl. dazu auch fast alle Mayrschen Schriften. Ihre Kenntnislücken sind enorm! Sogar nach dem Neodarwinismus gibt es Arten in der evolutions-biologisch-analysierend-quantifizierenden Betrachtung!

(Prof. D.:) "Biologisch genauer (hier nur andeutungsweise), im einzelnen: es gibt viele verschiedene Typen von Arten, und zwar in Abhängigkeit vom jeweiligen Evolutionsmodus. Evolutionsprozesse sind ein höchst vielfältiges Geschehen: Je nach dem Fortpflanzungssystem, nach der ökologischen, nach der geographischen Position der evoluierenden Sippe spielt sich die Speziation natürlich jeweils anders ab: einmal ist morphologische Divergenz entscheidend, ein anderes Mal (d. h. bei einer anderen Sippe und/oder unter anderen Umständen) die genetische (Kreuzungsbarrieren) usw. Morphologische Divergenz kann sich auf die verschiedensten Organe (vegetative Organe: Ernährung, Feindabwehr, Überdauerung; reproduktive: Blüten- und Diasporenökologie usw. usf.) beziehen, was weitere wesentliche Unterschiede ins Evolutionsgeschehen, in den Evolutionsablauf bringt. Auch die genetischen Aspekte sind ungemein vielfältig: sie können sich am DNA-Niveau oder am chromosomalen Niveau abspielen usw. usf.; es gibt verschiedene Typen von Barrieren, von Rekombinationshäufigkeit (holomiktisch/sexuell bis apomiktisch/asexuell), Hybridisierung etc. etc. (dies einem Genetiker zu erklären, hieße hoffentlich Eulen nach Athen tragen) .Außerdem sind selbstverständlich das Evolutionstempo und die Populationsgröße weitere entscheidend wichtige Parameter, die wieder untereinander zusammenhängen, ökologisch (vom Lebensraum her) bestimmt sind etc. etc. Und schließlich gar nicht zu reden von den paläontologischen Aspekten...All diese vielfältigen Faktoren bestimmen den jeweils bei einer bestimmten Sippe ablaufenden Evolutionsprozess und damit den Typ der Spezies. Aus all dem - und hier liegt auch ein wesentlicher Fortschritt unserer Kenntnisse seit Darwin - ergibt sich geradezu zwingend, dass es im Rahmen der Evolutionstheorie gar nicht bloß einen einzigen Typ von "Art" geben kann, dass es eine universelle Artdefinition gar nicht geben darf. Denn gäbe es einen einheitlichen Artbegriff, gäbe es eindeutig definierbare Arten, wäre das ein gewichtiges Argument für die Schöpfungstheorie* und gegen die Evolutionstheorie.

* Hier natürlich - fiktiv - im Gewand einer nw. Theorie (i. S. von Makromutationsereignis oder Katastrophentheorie etc.) gemeint, nicht als Eingriff des Schöpfers - sonst würde ich mich ja widersprechen."

(W.-E.L.:) Sie vertreten damit die inzwischen vom Neodarwinismus aufgegebene alte Darwinsche Auffassung, dass es keine universelle Artdefinition und Arten als "real biological units" gibt; auch Darwin hielt Arten für "arbitrary taxonomic inventions".

Die vielen verschiedenen "Typen von Arten" habe ich ja nun ausführlichst in der Artbegriffsarbeit diskutiert und nachgewiesen, dass die meisten keine "echten" Arten sind. Vielleicht sollte man besser von "Mikroevolution" als generell von "Evolution" sprechen, da das den Beobachtungen angemessener wäre. Erst behaupten Sie, ich möchte zeigen, dass es gar keine Arten gibt und damit "die ganze Evolutionistik zum Einsturz bringen" und jetzt sagen Sie, dass es "im Rahmen der Evolutionstheorie gar nicht bloß einen einzigen Typ von "Art" geben kann, dass es eine universelle Artdefinition gar nicht geben darf", weil das sonst ein "gewichtiges Argument für die Schöpfungslehre" wäre. Aus dieser Sicht müsste mir doch vielmehr alles daran gelegen sein, eine universelle Artdefinition zu finden! (N.: Und genau das ist das Ziel meines Unternehmens!) Dennoch bin ich der Auffassung, dass mit einer universellen Artdefinition zwar ein Schritt in die richtige Richtung getan, aber noch nicht die Schöpfungslehre bewiesen wäre. Denn es könnte ja gewissermaßen naturgesetzliche 'Schwellenwerte' für die Artbildung geben, zwischen denen die universelle Definition zutreffen würde (so hat sich das beispielsweise Lamprecht vorgestellt). Der Artbildungsmodus selbst, die Entstehung neuer Strukturen, muss ebenfalls für eine intelligente Ursache sprechen.

Was ich nun in der Arbeit nachweise, ist, dass alle die von Ihnen oben und von mir darüber hinausgenannten Artbildungsmodi, evolutionistische Sackgassen sind, die zwar in die verschiedensten Degenerations- und Anpassungsrichtungen ein mehr oder weniger weites (genetisches, physiologisches und/oder morphologisches) Stück von der Ausgangsart weg führen können, die aber nicht die Entstehung primärer Arten erklären. Diese primären Arten sind nach meiner Definition durch den Aufbau neuer Strukturen und Systeme (neuer spezifischer DNA-Sequenzen und entsprechenden genetischen, physiologischen und morphologischen Funktionen) und durch die Nichtüberführbarkeit der artentrennenden Merkmale in andere Arten gekennzeichnet.

(Prof. D.:) "Die Schwierigkeiten, einen generellen Artbegriff aufrechtzuerhalten, liegen also auf der Hand. Dass die Biologen dennoch - damit im Widerspruch - an diesem Begriff festhalten und dass es so scheint, als würden sie trotz dieser Widrigkeiten und sogar trotz besseren Wissens, nämlich ihrer Einsicht zum Trotz, dass es - entsprechend der S. E. - so sein muss, dass sie also dennoch eine Artdefinition versuchen wollen, sich immer wieder um das "Artproblem" bemühen, ist aber wieder auch sehr leicht zu erklären (allerdings vielleicht nur für den Taxonomen und den allgemeiner versierten Biologen, der Nurgenetiker könnte da verständlicherweise seine Schwierigkeiten haben): Die Art ist eine wichtige Rangstufenkategorie in der Taxonomie und sie ist zugleich eine Art interdisziplinäre (nämlich zwischen den Teilgebieten der Biologie vermittelnde) Vokabel und ein - berechtigter - Versuch, das Wesentliche des Evolutionsgeschehens sozusagen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen (nämlich die Entstehung neuer genetisch-physiologisch-ökogeographisch selbständiger Sippen, damit der Elemente der evolutiven Innovation)."

(W.-E.L.:) Die Art ist auch nach Auffassung der meisten heutigen Neodarwinisten wesentlich mehr! 1993, S. 48 (Artbegriffsarbeit) habe ich die Hauptpunkte wie folgt zusammengefasst:

Mit den Ausnahmen des morphologischen und 'evolutiven' Artbegriffs ist allen anderen Artdefinitionen die Abgrenzung der Art durch die reproduktive Isolation gemeinsam -wie auch immer diese im Einzelnen beschaffen sein mag (dazu später mehr).

Dadurch wird die Art - wegen der mit dem morphologischen Artbegriff verbundenen Schwierigkeiten (siehe unten) von Darwin und seinen Nachfolgern zunächst als rein willkürlich-subjektiver Begriff menschlicher Einbildungskraft abgewertet - auch für die Vertreter der Synthetischen Evolutionstheorie zur "biologischen Art", d.h. "zur umfassendsten Mendelschen Population", zum "annähernd konstanten Genotypenkreis", zur "objektiven Realität"; die Art ist "real und kollektivistisch", eine "natürliche Fortpflanzungsgemeinschaft" und damit ein "natürliches System" und schlicht "die natürlichste und am wenigsten willkürliche Einheit" der ganzen Klassifikation.

Anstatt mit "eindrucksvoller Vehemenz offene Türen einzurennen" bleibt mir bei der Analyse Ihres Gutachtens nichts weiter übrig als Ihnen als Neodarwinisten selbst noch die grundlegendsten Vorstellungen der Synthetischen Evolutionstheorie zum Artbegriff aus meiner Arbeit zu vermitteln. Um es wieder so freundlich wie möglich zu formulieren: Mit Ihrer Hypothese vom rein subjektiven Artbegriff sind Sie nun wirklich nicht mehr auf dem neuesten Stand!

(Prof. D.:) "d) Die immer wieder zwischendurch anklingende, wenn auch nie sehr prinzipiell und klar formulierte These, es gäbe eine klare Grenze zwischen sekundären und primären Arten, finde ich nicht überzeugend. Viele der zitierten Beispiele belegen doch eher das Gegenteil: dass nämlich auch die genetischen Barrieren oft relativ und abhängig von anderen Faktoren sind, d. h. gelegentlich, unter bestimmten Umständen zusammenbrechen, dass als seltene Ausnahmen sogar verwandtschaftlich weit entfernte Sippen genetische Kontakte haben können, dass es bezüglich Fertilität der Rekombinanten alle nur erdenklichen Übergänge gibt usw."

(W.-E.L.:) Zur "...nie sehr prinzipiell und klar formulierten These": Widerlegung Artbegriff S. 268:

"Im Gegensatz zu den zitierten Ab-(und Um-)bauerscheinungen bei den sekundären Arten, sind die primären Arten durch den Aufbau neuer anatomischer, physiologischer und ethologischer (Strukturen und) Systeme, die aufgrund der artplasmatischen Barriere bei Kreuzung prinzipiell nicht reziprok überführbar und homozygot zu exprimieren sind, absolut voneinander getrennt."

Vgl. weiter (Artbegriff) S. 323:

In Zusammenfassung der bisherigen genetischen und paläontologischen Ergebnisse können wir die biologische Art folgendermaßen definieren:

Die Art umfasst alle Populationen und Individuen, die einer aktuellen oder potentiellen Fortpflanzungsgemeinschaft angehören bzw. nachweislich daraus hervorgegangen sind und eine Folge in der Zeit bilden.* Von der morphologisch-physiologisch nächstverwandten Art ist sie durch den Aufbau neuer Strukturen und Systeme (vgl.p.268) und auf genetischer Ebene durch die meiotisch-plasmatische Barriere absolut getrennt (Nichtüberführbarkeit der artentrennenden Merkmale). Paläontologisch treten die Arten sprunghaft auf, d.h. sie sind nicht durch kontinuierliche Übergangsserien miteinander verbunden. Geographisch zeigt die Art aufgrund ihres meist umfangreichen Rekombinationspotentials eine große Mannigfaltigkeit von Formen, Rassen und Subspezies, die vom morphologischen und neodarwinistischen Artbegriff häufig als eigene Arten und Gattungen beschrieben werden. Ein beträchtlicher Teil dieser Mannigfaltigkeit ist auf den Abbau genetischer Information zurückzuführen.

(Artbegriff) S. 470:

Bei den primären Artmerkmalen handelt es sich um Regulatorgenfunktionen und Genwirkketten für neue physiologische und anatomische Systeme, die prinzipiell nicht im Plasma der nächstverwandten Arten homozygot exprimiert werden können. Ursache dafür ist das pp. 210-290 diskutierte meiotisch-plasmatische Kontrollsystem. Der Ursprung der Arten liegt damit vor allem im Aufbau neuer anatomischer, physiologischer und ethologischer (Strukturen und) Systeme, durch welche die primären Arten absolut voneinander getrennt und objektiv zu fassen sind.

Für den Aufbau solcher neuen Systeme durch die definitionsgemäß richtungslosen Zufallsmutationen gelten die p. 359 zitierten Unwahrscheinlichkeiten.

Und schließlich sei noch einmal auf den Buchumschlag verwiesen!

Wie in der Artbegriffsarbeit ausführlich diskutiert und oben schon erwähnt, handelt es sich bei den heute bekannten Beispielen der Artbildung um Entwicklungsprozesse, die man wohl am besten als (mehr oder weniger weit von der Ausgangsart wegführende) "Sackgassen" bezeichnet. D. h. es handelt sich um Veränderungen, die man nicht beliebig extrapolieren kann. Man kann damit also nicht die Entstehung aller Lebensformen zu erklären. Daraus folgt die Unterscheidung in primäre und sekundäre Arten.

(Prof. D.:) "Dass die angebliche Grenze zwischen "primären" (göttlich geschaffenen) und "sekundären" (der Mutation/Selektion unterliegenden) Arten in sehr verschiedenen taxonomischen Rangstufenbereichen liegt, ist nicht verwunderlich (und allerdings auch kein starkes Gegenargument gegen die Existenz jener Grenze): zwischen Makrospezies und Tribus (!) ."

(W.-E.L.:) Zahlreiche Tatsachen weisen auf diese Grenzen hin. Hingegen ist die fast unendliche Extrapolation einer Entwicklung durch richtungslose 'Kleinmutationen' und Selektion von der 'Amöbe' bis zum Menschen und von der Blaualge bis zu Antirrhinum durch umfangreiche Befunde aus der Paläontologie, Morphologie, Anatomie, Physiologie und Genetik in Frage gestellt worden.

(Prof. D.:) "e) Auch auf LAMPRECHT und auf die Diskussion der Rolle der plasmatischen Vererbung müsste hier unbedingt eingegangen werden. Ich bitte, mir dies vorläufig, aus Zeitmangel, zu erlassen.

f) Am gewichtigsten und sowohl biologisch wie philosophisch interessantesten scheinen mir die Überlegungen zum Thema "nur immer wieder nichts als Verlustmutanten" - auch ein altes, "klassisches Thema" aus dem Arsenal der Gegenargumente gegen die S. E., aber immer noch und immer wieder interessant und m. E. tatsächlich diskussionswürdig (alt, aber gut). Besonders reizvoll ist es, dass diese Argumente hier von einem Autor gebracht werden, der hauptberuflich Genetiker ist. Dass trotz der vielen Befunde und Hypothesen der neueren Genetik (Genduplizierung, Neutrale Theorie, Transposons) die alten Argumente und Kontroversen erstaunlich gleich bleiben, ist sicherlich bemerkenswert. Ich betrachte das als Beleg für meine These, dass die Evolutions-Diskussion nicht nur auf dem Niveau der Genetik, sondern hauptsächlich auf einem allgemein-evolutionsbiologischen und auch auf einem wissenschaftsmethodischen Niveau zu führen ist. Die Kritik an der S. E. von seiten der Genetik finde ich daher besonders wertvoll und zugleich wissenschaftsmethodisch (Punkt g) und auch naturphilosophisch (Punkt h) höchst interessant und ergiebig. Dazu im folgenden nur sehr knappe Andeutungen:"

(W.-E.L.:) Diesen recht sachlichen Bemerkungen kann man (bis auf das "hauptsächlich" in der 7. Zeile von unten und nur...Verlustmutanten) nur zustimmen.

(Prof. D.:) "g) Genetisch: Dass der Genetiker immer nur geringfügige, evolutiv unbedeutende Mutationen findet, ist plausibel und entspricht dem Gradualismus der S. E.. Makromutationen, Saltationen bleiben immer nur hypothetisch: sie sind naive Extrapolation aus der Maus-Perspektive des Genetikers. Der Antidarwinist hofft auf sie, postuliert sie, weil sie die S. E. falsifizieren würden (und/oder, weil sich dann für Gott oder die "intelligente Ursache" ein Betätigungsfeld eröffnet)."

(W.-E.L.:) Ob Sie mir das abnehmen oder nicht: Ich habe wirklich nicht die Absicht, unfreundliche Kommentare zu Ihrem Gutachten zu geben. Wenn alle Ihre Punkte zuträfen, würde ich dem zustimmen (denn es kann ja bei diesen Fragen nicht darum gehen, recht zu haben, sondern darum, das herauszufinden, was naturwissenschaftlich und biologisch recht und wahr ist). Aber mir bleibt wieder nichts anderes übrig als sachlich darauf hinzuweisen, dass Sie weder die Artbegriffsarbeit verstanden haben noch auf dem neuesten Stand der Forschung sind. Es wurden bereits mehrere Beispiele relativ erfolgreicher "Makromutationen" beschrieben, sowohl in der Natur als auch in der genetischen Forschung. Vgl. Artbegriff S. 549/550, speziell Literaturhinweis Gottlieb 1984, weiter die Seitenangaben S. 359, 368, Hilu 1983 und neuerdings S. Scherer: Spektrum der Wissenschaft, August 1993, S. 16-20; dort weitere Literaturangabe. Wie soll ich nun angesichts dieser Tatsachen Bemerkungen wie die von der "naiven Extrapolation aus der Maus-Perspektive des Genetikers" etc. anders als "unsachlich" werten? Eine "intelligente Ursache" eröffnet sich mit den bekannten "Makromutationen" auch nicht; Grund siehe S. 359.

(Prof. D.:) "h) Evolutionsbiologisch: Die Entstehung der Baupläne, der höheren Kategorien kann nicht allein aus Genetiker-Sicht (der oben erwähnten Maus-Perspektive) verstanden werden. Selbst das organismische und Populationsniveau reichen nicht. Hier muss der Morphologe und der Evolutions-Ökologe mitreden. Bezeichnenderweise wird die Thematik der Adaptiven Niveaus (Organisationsniveaus) und der Konvergenz im ganzen Buch nicht einmal erwähnt (alle einschlägigen Begriffe fehlen auch im Sachregister)."

(W.-E.L.:)Die 'Adaptiven Niveaus' sind nicht mit dem Organisationsniveau gleichzusetzen; vgl. dazu Artbegriff S. 118/119. (Es ist mir schon fast peinlich, Ihnen immer wieder die Textstellen zu nennen zu müssen, die "im ganzen Buch" nicht vorkommen. Sie haben allerdings recht: das Sachregister könnte vervollständigt werden.) Mit dem Gesetz der rekurrenten Variation (Artbegriff S.8, 364-372, 548/49) habe ich sehr wohl auch das Konvergenzthema angeschnitten (Parallelvariation). Ihm Rahmen meiner Artbegriffsarbeit konnte ich allerdings diesem für eine Evolutionskritik außerordentlich dankbaren Thema (vgl. meinen Brief vom 28. Juli/23. August 1994, S. 12) keine detaillierte Studie widmen. "Gern wäre ich noch auf zahlreiche Fragen der allgemeinen Evolutionstheorie eingegangen, wozu ich den 'Rest' meiner Quellensammlung einsetzen könnte" (1000 Literaturzitate!)"- aber das würde den Rahmen der vorliegenden Arbeit weit überschreiten."

Es bleibt für mich menschlich ein Rätsel, wie ein renommierter Wissenschaftler in einem wichtigen Gutachten - , in dem er selbst offen bekennt, entscheidende Fragen nicht behandelt zu haben (s.o. Lamprecht und andere Punkte) und offensichtlich mangels gründlichem Studium und wohl auch wegen seiner darwinistischen Grundhaltung, häufig die simpelsten und deutlichsten Aussagen nicht mehr wahrnimmt und einen immer wieder nachweisbaren erstaunlichen Kenntnismangel zu den verschiedensten der behandelten Fragen zeigt, - gleichzeitig kritisiert, dass ich bestimmte Themen in der Artbegriffsarbeit nicht behandelt habe, die eindeutig den Rahmen der Arbeit überschreiten. Und der i-Punkt der Geschichte ist, dass ich selbst diese Punkte noch zumindest angeschnitten habe.

(Prof. D.:) "4) Philosophisch: Die - sehr wichtige - Erörterung muss ich leider auf ein andermal verschieben. Nachfolgend nur eine kurze Andeutung:

Grundsätzlich nicht falsifizierbar ist die Flucht zu einem Schöpfer oder zu einer überirdischen, in das Irdische aber dennoch eingreifenden "Intelligenz". Dieser Ausweg verlässt die naturwissenschaftliche Methodik und deshalb unsinnig und im Rahmen der Naturwissenschaft nicht diskutierbar."

(W.-E.L.:) Es geht weder um "Flucht" noch um "Ausweg", sondern z. B. um die Identifikation von kybernetischen Systemen in den Lebewesen und der Technik (vgl. Artbegriff S. 283/284) und die Frage nach einer im Prinzip gleichen oder ähnlichen Ursache. In Anlehnung an ein Wort Struggers habe ich wie folgt argumentiert: "Schon für das 'primitive Beginnen des Menschen', im Prinzip zu einer Biotechnik zu gelangen, sind Phänomene wie Bewusstsein, Intelligenz, Geist, Fähigkeit zu zielstrebigem Handeln usw. unbedingt notwendig. Wenn dies nun schon für das "primitive Beginnen" eine conditio sine qua non ist, - wie viel mehr trifft das dann für den Ursprung "der vollendetsten kybernetischen Systeme auf unserer Erde", - vom Einzeller bis zum Menschen..., ja der gesamten Organismenwelt zu" (Artbegriff, S. 284).

Falsifikationsfrage:

(Aus Lönnig 1991, S. 27)

"Der Ansatz ist grundsätzlich falsifizierbar: 1. Durch den empirischen Nachweis, dass das Leben und die Information für komplexe Strukturen und Organe allein aufgrund physikochemischer Gesetzmäßigkeiten ensteht (Abiogenese). 2. Durch den Nachweis, dass die kybernetischen Systeme der Organismen prinzipiell nicht mit den technischen vergleichbar sind, dass die Bionik auf einem falschen Ansatz beruht und dass für die Entstehung der Baupläne und höheren systematischen Kategorien kein koordinierter Informationsaufbau notwendig ist. 3. Durch den Nachweist dass die paläontologischen Befunde mit der neodarwinistischen Idee einer kontinuierlichen Entwicklung aller Lebensformen kongruent sind und dabei grundsätzlich einer diskontinuierlichen Entstehung von Familien, Ordnungen, Klassen und Bauplänen (Schöpfung) widersprechen* 4. Durch den Nachweis, dass alle komplexen Strukturen - wie zum Beispiel der Fangmechanismus von Utrjculaia vulgaris und tausend weitere Beispiele -über Mutationen mit "slight or even invisible effects on the phenotype", d. h. über Tausende von Zwischenstufen mit jeweils eindeutigen Selektionsvorteilen entstanden sind etc. etc. Bisher hat die Forschung in jedem Punkt das genaue Gegenteil aufgezeigt."

Historisch gesehen gibt es viele Beispiele von Darwinisten und Neodarwinisten, die mit ihrer Flucht vor dem Schöpfer einen Ausweg in einem nicht falsifizierbaren Erklärungssystem gefunden haben. In meiner Schrift Kann der Neodarwinismus durch biologische Tatsachen wiederlegt werden ? (Köln 1991) habe ich exemplarisch gezeigt, inwiefern das Kriterium 'Nichtfalsifizierbarkeit' (subjektiv) auf die Synthetische Evolutionstheorie zutrifft.

(Prof. D.:) "Die Unhaltbarkeit oder eigentlich prinzipielle Unsinnigkeit von solchen methodisch unzulässigen Ausflüchten zeigt übrigens auch die Wissenschaftsgeschichte, seit ihren Anfängen: In hemdsärmeliger Formulierung: überall dort, wo in einem früheren Stadium der Naturwissenschaft angesichts eines ungelösten Problems der liebe Gott zu Hilfe gerufen wurde, hat sich wenig später, mit dem Fortschreiten der wissenschaftlichen Arbeitsweise, gezeigt, dass der liebe Gott doch nicht gebraucht wird. Peinlich für die - schlechte! - Theologie.

(W.-E.L.:) (Nachtrag: Mit welcher Stereotypie dieser falsche Einwand kraftvoll - aber ohne jede gründliche Reflexion - immer wieder vorgebracht wird, ist geradezu erstaunlich!)

Ich habe diesen Einwand nun ausführlich in meiner Artbegriffsarbeit S. 285-287 behandelt und widerlegt. Ich halte es für peinlich für einen renommierten Gutachter, nicht diese Argumente zu diskutieren, sondern nur einen modernen Mythos zu repetieren. Jetzt möchte ich doch einmal von Ihnen 10 Beispiele hören, wo "in einem früheren Stadium der Naturwissenschaft angesichts eines ungelösten Problems der liebe Gott zu Hilfe gerufen wurde" und dann später doch nicht mehr gebraucht wurde. (Wie Sie S. 287 entnehmen können, habe ich eine ähnliche Frage schon Herrn Prof. H. gestellt; er hat nie darauf geantwortet). Ich kann Ihnen aber gern 10 und mehr Beispiele nennen, in denen 'die Materie' und/oder 'die Selektion' (oder der Neodarwinismus) oder 'die Stammensentwicklung' als Lückenbüßer angesichts eines ungelösten Problems zu Hilfe gerufen wurden und sich dann wenig später, mit dem Fortschreiten der wissenschaftlichen Arbeitsweise, gezeigt hat, dass die liebe Selektion und Stammesentwicklung etc. doch nicht gebraucht wurden. In der Artbegriffsarbeit habe ich Lima-de-Faria zur Chromosomenorganisation und Selektionsfrage zitiert (S. 161):

"Zur neodarwinistischen Position meint er u.a. (p.XIII):"One resorts to natural selection every time one lacks knowledge of the molecular mechanisms involved." (p. 329:) "According to this view most mutations occur at random and little or nothing is predictable concerning the genetic behaviour or the evolution of the chromosome. Chromosome evolution is assumed to be mainly dictated by natural selection (White 1973, Ohno 1974 b), which is used as an 'explanation' to cover up for the lack of molecular evidence." (p.1023 :)"W hat I am trying to convey is that due to the absence of knowledge of molecular mechanisms, selection has been employed like a kind of general remedy by the biologist. Every time a phenomenon appeared in biology, and one obviously ignored its mechanism, selection was invoked as an explanation and the matter was settled."

(Prof. D.:) "5) Theologisches. Der Zusammenhang zwischen christlicher Theologie und neuzeitlicher Naturwissenschaft ist ein hochinteressantes Thema. Ein für uns wesentlicher Punkt dabei ist jedenfalls, dass die christliche Theologie heute, gegen Ende dieses Jahrhunderts, doch eine wichtige Reifung erfahren hat, dass aus der langen und leidenschaftlichen Diskussion doch entscheidende Einsichten über das Wesen sowohl der Naturwissenschaft wie der Theologie hervorgegangen sind, für die mir die Rehabilitierung Galileo Galileis durch den Vatikan symptomatisch und symbolisch erscheint. Insofern halte ich die - aus den USA kommende Kreationismus-Debatte (zu der man das vorliegende Werk wohl rechnen muss) im Grunde für historisch überholt**.

** Abgesehen davon, dass eine philosophische Überlegung grundsätzlich nie so überholt sein kann wie eine wissenschaftliche These, weil in der Philosophie der Weg das Ziel ist (d. h.: in viel höherem Grad als in den Naturwissenschaften ja natürlich in gewisser Weise auch) ."

(W.-E.L.:) Wie in meinem Brief an Herrn D. vom 26. August 94 ausführlicher gezeigt, kann man das vorliegende Werk nicht zu der aus den USA kommenden Kreationismus-Debatte rechnen. Der entscheidende Punkt ist, dass der Neodarwinismus - im Gegensatz zu seinem Anspruch - nicht die großen Fragen zur Entstehung der Organismenwelt beantwortet hat. Von daher sind alle diese Fragen zu dieser Thematik nach wie vor (oder wieder) offen, nicht nur philosophisch, sondern vor allem auch naturwissenschaftlich. Ob die christliche Theologie heute tatsächlich eine wichtige Reifung erfahren hat, möchte ich bezweifeln. Aber das wäre ein Thema für sich.

(Prof. D.:) "(Wissenschaftsgeschichtlich hängt das vermutlich damit zusammen, dass die erwähnte Diskussion vor allem in Europa und im katholischen Raum stattgefunden hat, und die USA dieses Thema mit Verspätung und in Unkenntnis jener europäischen Debatte aufgegriffen haben; als "Kreationismus-Streit" kommt sie nun nochmals nach Europa zurück, weil wir - verständlicherweise - heute an allem, was in den USA geschieht, nicht vorbei können: Das ist nicht (ab)wertend, sondern beschreibend gemeint.)"

(W.-E.L.:) Wissenschaftsgeschichtlich hängt das auch damit zusammen, dass der Neodarwinismus einfach nicht die entscheidenden Fragen naturwissenschaftlich beantworten kann. In den landesweit in den USA vom Fernsehen ausgestrahlten und an den Universitäten bis heute laufenden, wissenschaftlichen Debatten mit den Kreationisten haben die Befürworter der Synthetischen Evolutionstheorie - auch nach ihrem eigenen Verständnis - regelmäßig verloren. (Dafür waren sie allerdings in der mehr politischen Frage vor Gericht gegen den Kreationismus als Teil des Lehrplans in den Schulen erfolgreicher, zum Teil wohl mit Recht.) Aber auch das wäre wieder ein umfangreiches Thema für sich; ich habe mich mit diesen Fragen intensiv beschäftigt.

(Prof. D.:)" Das Buch enthält noch einige philosophisch und theologisch, aber auch biologisch interessante Aspekte, besonders zum Thema "nur immer wieder Verlustmutationen", auf die hier noch nicht entsprechend eingegangen worden ist und die eine ausführlichere Widerlegung erfordern. Aus Zeitmangel kann ich dazu momentan nicht Stellung nehmen.

Die Diskussion der "Diskussion" auf den Seiten 588 bis 599 wäre sehr wichtig. Im wesentlichen muss ich den Argumenten des anonymen Partners "PD. Dr. S. L. " zustimmen. Die Entgegnung auf dessen Argumentation durch den Autor des Buches erscheint mir insgesamt nicht plausibel. Ich werde gern dazu genau Stellung nehmen (momentan aus Zeitmangel nicht möglich)."

(W.-E.L.:) Ich behaupte nicht, dass es nur Verlustmutationen gibt (vgl. Artbegriff zu den Themen Chromosomenmutationen, Duplikationen, Polyploidie etc.).

Zur Diskussion mit Herrn L. sagen Sie :"Ich werde gern dazu genau Stellung nehmen..." Ich bin gespannt!

(N.: Herr Prof. D.. hat keine weitere Stellung dazu genommen!)

(Prof. D.:) "Zusammenfassend:

(1) Die biologischen Themen werden nicht ausreichend methodisch klar behandelt, die Fragestellungen zu wenig präzisiert. Als fachbiologische Abhandlung halte ich das Buch daher für zu wenig fundiert.

(2) Da es dem Autor im wesentlichen um ein philosophisches Thema geht, wäre eine stärker fachspezifisch philosophische Diskussion nötig, unter besserer Berücksichtigung der einschlägigen Literatur. Ich bezweifle daher, ob das Buch als eine philosophisch adäquate Abhandlung zu beurteilen ist. Dazu müsste aber besser ein Fachphilosoph Stellung nehmen.

(3) Gleichartiges gilt m. E. für die theologische Thematik."

(W.-E.L.:) Wie ich oben in allen Details nachgewiesen habe, trifft vielmehr folgendes zu (Nachtrag: vgl. auch den Kommentar von Waesberghe oben):

(1) Die biologischen Themen, die den Schwerpunkt und den Hauptteil der Arbeit bilden, werden methodisch klar behandelt, die Fragestellungen immer wieder präzisiert. Alle anderen Rezensenten, auch die kritischen, haben das so verstanden.

(2) Als fachbiologische Abhandlung ist das Buch so gründlich fundiert, dass Sie weite Teile nachweislich nicht verstanden haben, u. a. weil Sie viele moderne biologische Forschungsergebnisse sowie die Fachliteratur dazu (noch?) nicht kennen.

(3) Eine philosophisch-theologische Diskussion war nicht beabsichtigt (sie wurde daher auf das notwendigste - in dem allerdings zu Recht kritisierten leserfeindlichen Kleinstdruck - beschränkt. In der Entwicklung des Buches ist dieser Teil der Arbeit erst nachgereicht worden, als mich ein Kollege auf diese Fragen ansprach)."


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