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NEUERE EVOLUTIONISTISCHE BEHAUPTUNGEN UND ABHANDLUNGEN ZUR FRAGE NACH DER ENTSTEHUNG DES AUGES

 

VORBEMERKUNG ZUR WISSENSCHAFTLICHEN BEWEISFÜHRUNG



In einer der jüngsten großen naturwissenschaftlichen Kontroversen waren sich bei aller Erbitterung und Härte der Auseinandersetzungen alle beteiligten Naturforscher, Ärzte und Laien dennoch in einem Punkt völlig einig:

The only way definitively to establish conflicting results is to reproduce them (Benveniste 1988, p. 291; kursiv von mir).

Und diese Grundauffassung zog sich mit Recht durch die ganze Diskussion. Was immer behauptet, in Frage gestellt oder abgelehnt wurde - die Reproduzierbarkeit oder Nichtreproduzierbarkeit behaupteter Phänomene war der ausschlaggebende Punkt. Dazu ein paar Formulierungen aus der Debatte:

"The phenomena described are not reproducible..." (Maddox et al. 1988, p. 290). "Evidence of non-reproducibility" (Überschrift in Nature 334, p. 559; 1988). "One view, ably put by Dr Henry Metzger on page 375, is that the publication of irreproducible data, as distinct from speculative opinion, requires that more exacting editorial standards should apply" (Nature 334, p. 367, 1988*). "We observed no results as theirs. ...Evidently, whatever may have generated their own data is not readily reproduced....Before the imprimatur inherent in publishing them (die ungewöhnlichen Ergebnisse), the new results must be reproducible by distinguished individuals familiar with the field (Metzger und Dreskin 1988, p. 375). "As it is obvious that..(some)..data..are not strictly derived by experiment, the credibility of the remainder of the paper must remain in doubt" (Gaylarde 1988, p. 375).

(Kursiv, bis auf imprimatur, immer von mir.)

Ein weiteres Beispiel: In einem Leitartikel zum Thema "Lamarck, Dr. Steele and plagiarism" schreibt NATURE (337, pp. 101/102, 1989):

"Unfortunately for Steele, the attempted replication...failed to support the original claim."**

Was auch immer sonst noch zu dem Fall zu sagen ist, - auch hier ist die Reproduzierbarkeit für alle Parteien wieder der Maßstab für die Akzeptanz oder Ablehnung der behaupteten Prozesse.

Ohne auf die obigen Streitpunkte (Homöopathie, Lamarckismus) weiter einzugehen - man könnte auf viele weitere neuere und ältere Kontroversen aus der Geschichte der Naturwissenschaften zurückgreifen - möchte ich an dieser Stelle nur das Hauptkriterium wissenschaftlicher Beweisführung hervorheben: es ist die Frage nach der Reproduzierbarkeit behaupteter Phänomene, die als Maßstab der Akzeptanz oder Verneinung von Behauptungen als wissenschaftlichen Tatsachen, zumal bei kontroversen Meinungen, gilt. Postulierte Prozesse, die prinzipiell nicht beobachtbar und/oder nicht reproduzierbar sind, sind keine naturwissenschaftlichen Tatsachen! Oder positiv formuliert: Alle Behauptungen von reproduzierbaren naturgesetzlichen Ereignissen und Prozessen können im Rahmen der Versuchsbedingungen und deren Identifikation in der Natur auch als naturwissenschaftliche Tatsachen gelten.

Und dieses "geltende Recht" in den Naturwissenschaften hat sich in Tausenden von Untersuchungen und Projekten als sichere Basis für alle Bereiche der Forschung und Technik erwiesen. Hingegen unbewiesene und unbeweisbare Behauptungen, Spekulationen und Hypothesen (aus Mangel an Beweisen, motiviert von starkem Wunschdenken und großer Glaubensbereitschaft) in den Rang naturwissenschaftlicher Tatsachen zu erheben, ist nicht nur ein Verstoß gegen das normalerweise von allen Beteiligten praktizierte 'geltende Recht', sondern hat schon zu vielen Katastrophen geführt (Stichwörter: Semmelweis, Lyssenko, Contergan, Tschernobyl u.v.a.).

Auf unser Thema bezogen, sind die als naturwissenschaftliche Tatsachen behaupteten Transformationen von einem Augentyp zum jeweils nächst höherdifferenzierten durch richtungslose Kleinmutationen und Selektion in gänzlicher Abwesenheit jeglicher Reproduzierbarkeit der postulierten Prozesse bereits ein schwerer Verstoß gegen das eben zitierte Grundgesetz naturwissenschaftlicher Arbeitsweise. Und eine Bekehrung gleich mehrerer Generationen von Naturwissenschaftlern zu einer in den Rang naturwissenschaftlicher Tatsachen erhobenen spekulativen Meinung, die im Zuge der fortschreitenden Entdeckungen ungeahnter Komplexität biologischer Phänomene immer unwahrscheinlicher wird, lässt sich zur Frage nach den realhistorischen Ursachen und Prozessen der Entstehung der Lebensformen bereits als geistesgeschichtliche Katastrophe bezeichnen.

*Leitartikel. **Von mir unterstrichen.


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