voriges Kapitel - zum Inhaltsverzeichnis - nächstes Kapitel

 

II. Morphologische Serie bei den Gastropoda-Prosobranchia

Morphological sequence of differentiation of cephalic eyes in Gastropoda-Prosobranchia (after Hilger, 1885; Hesse, 1902; and others): A, eye pit of Patella sp.; B, eye cup of Pleurotomaria beyrichi; C, pinhole eye of Haliotis sp.; D, closed eye of Turbo creniferus, E, lens eye of Murex brandaris; F, lens eye of Nucella lapillus. (ep, epidermis or cornea; la, lacuna; li, lens; vm, vitreous mass.)
(Aus Salvini-Plawen und Mayr, p. 237.)

Den Text der Autoren zur Abbildung darf man als relativ kurz bezeichnen.

Wir lesen p. 236, dass die Photorezeptoren des Kopfes der Gastropoda (Schnecken) und Cephalopoda (Kopffüßler) homolog sein könnten (was in evolutionistischer Terminologie die Abstammung von gemeinsamen Vorfahren impliziert, aber nach der Intelligent-Design-Theorie auf einen gemeinsamen Bauplan hinweist), und dass sie in gleicher Weise in der Veligerlarve der Gastropoden vorhanden sind und weiter:

They are typically epidermal of the rhabdomeric type und are differentiated in several sequences into highly specialized eyes.

- Worauf der Hinweis auf die obige Abbildung (p. 99) und einige Bemerkungen zu den Zilien der Lichtrezeptoren anderer Gattungen folgen, die nicht in der obigen Figur abgebildet werden.,

Liegen hier nun die Verhältnisse grundlegend anders als im vorigen Beispiel? Keineswegs! Alle grundsätzlichen Argumente und Einwände gelten bei diesem Beispiel genauso:

 

a)

Die prinzipielle Nichtreproduzierbarkeit eines postulierten Evolutionsprozesses, der 15-mal und öfter unabhängig voneinander durch Mutation und Selektion abgelaufen sein soll.

 

b)

Die Frage, warum nach einem Hunderte von Jahrmillionen abgelaufenen Vervollkommnungsprozess (der wahrscheinlich und einfach sein soll) überhaupt noch solche "Zwischenstufen" existieren.

 

c)

Die abgebildeten Formen und Gattungen stammen nicht voneinander ab, d.h. die Serie bildet keine Abstammungslinie (ähnlich den Muscheln: siehe oben).

Die 6 Gattungen verteilen sich auf 2 verschiedene Ordnungen und 5 Familien (vgl. Gruner 1982).

 

d)

Die Schritte bis hin zu A (nicht dargestellt) und von A nach C sind verhältnismäßig einfach vorstellbar, stoßen jedoch schon auf die auf p. 93 erwähnten Schwierigkeiten.

 

e)

Zur Diskontinuität von C nach D vgl. die Problematik pp. 93/94.

Außerdem schreibt Land 1981, p. 510:

There appears to be only one real example of pinhole optics in the animal kingdom: in the eyes of the remarkable relict cephalopod mollusc Nautilus... The gastropod mollusc Haliotis is sometimes regarded as having eyes of this kind (Weale 1974) [und in der vorliegenden Arbeit Salvini-Plawen und Mayr 1977], but with a pupil 200 µm wide and an axial length of 1 mm (Tonosaki 1967), the resolution will be very poor - about 14° for gratings - and these eyes are probably best regarded as rather well-developed pigment cups. Nautilus, however, is really different.

 

f)

Eine weitere Diskontinuität der Serie liegt von D nach E vor (Linsenbildung - vgl. die Problematik pp. 93-95). Auch hier ist wieder die Unwahrscheinlichkeit des durch Mutation und Selektion postulierten vielfachen Evolutionsprozesses hervorzuheben.

 

g)

Zusätzliche Diskontinuität von E nach F: Neubildung der Lakune, die den optischen Gesetzmäßigkeiten zur Aufrechterhaltung der Augenfunktionen unterliegt - Durchsichtigkeit, Lichtbrechungsindex, Form.

 

h)

Schließlich möchten wir wieder die Frage nach den Selektionswerten der vielen einzelnen Schritte und der in die Hunderte gehenden Mikromutationen hervorheben.

 

Es wäre überdies viel wahrscheinlicher, den angenommenen Evolutionsprozess in die entgegengesetzte Richtung als fortschreitende Kette von Degenerationsereignissen laufen zu lassen (vgl. auch p. 25):

Aus Salvini-Plawen und Mayr, aber morphologische Reihe als Degenerationsserie gedeutet (vgl. Text).

Es haben dann verloren:

B: die Fähigkeit zur Lakunenbildung (l. größere Verlustmutation);
C: die Fähigkeit zur Linsenbildung (weitere große Verlustmutation);
bei D findet die spezielle Differenzierung und Verschluss der Epidermis nicht mehr statt (weitere Verlustmutation);
E: füllt nicht einmal mehr das Lumen mit dem gelartigen Glaskörper aus;
bei F sind auch die Wachstums- und Differenzierungsprozesse zur Annäherung der Epidermis Richtung Mitte verlorengegangen.

Nach naturwissenschaftlichen Erkenntniskriterien überzeugend ist an dieser Deutung, dass sowohl ihre Grundannahmen als auch viele Details jederzeit reproduzierbar sind: Verlustmutationen sind die häufigsten zur Wirkung kommenden Mutationen überhaupt, und sie sind inzwischen millionenfach an allen nur denkbaren Organismen festgestellt worden. Zahlreiche Strukturen an den verschiedensten Organen können durch solche Mutationen verlorengehen. Degeneration von Organismen in der Natur ist ebenfalls ein vielfach nachgewiesenes Phänomen (ausführliche Dokumentation und Diskussion der beiden Themen Lönnig 1988, 622 Seiten). Auch sind mit dieser Deutung (bis auf den Punkt c) alle anderen gegen die Synthetische Evolutionstheorie notwendigerweise erhobenen naturwissenschaftlichen Einwände mit einem Schlag aus der Welt. Die Diskontinuität ist in der Degeneration (Abwärtsentwicklung) integraler Bestandteil des Mutationsprozesses. Sie kann auch immer wieder unabhängig voneinander in den verschiedensten Tiergruppen durch unabhängig auftretende Verlustmutationen ablaufen.

Dass solche Degenerationsprozesse in der Natur tatsächlich ablaufen und abgelaufen sind, liegt aufgrund eines riesigen Tatsachenmaterials außerhalb jedes vernünftigen Zweifels. Es erhebt sich allerdings die Frage, ob damit alle mit den verschiedenen Differenzierungsstufen des Auges verbundenen Probleme geklärt sind.

Bevor wir auf dieses Problem zu sprechen kommen, wollen wir einen Blick auf die 3. und letzte von Salvini-Plawen und Mayr aufgeführte morphologische Serie werfen.


voriges Kapitel - zum Inhaltsverzeichnis - nächstes Kapitel
Internet address of this document:
© 2002 by Wolf-Ekkehard Lönnig - loennig@mpiz-koeln.mpg.de

Disclaimer