I. ARTENZAHLEN
DIE ANGABEN VERSCHIEDENER AUTOREN ZUR FRAGE NACH DER ARTENZAHL LEBENDER ORGANISMEN SCHWANKEN ZWISCHEN RUND 2 UND 30 MILLIONEN. Darüber hinaus begegnet man fast jeder x-beliebigen Zahl beschriebener Arten zwischen 1 bis 2,3 Millionen.
Es folgen einige Zahlenangaben qualifizierter Autoren (Mayr und White haben ihre hohen Zahlen näher begründet).
Luria, Gould, Singer 1981, p. 572:
Biologists have described more than a million species of living organisms, and at least this many still await discovery.
Kaplan, 1985, p. 647:
Today about 1,4 x 10 6 species are known, about (N=) 3 x 10 6 are assumed to be living.
Dobzhansky et al. 1977, p. 95:
More than a million and a half living species have been described and named. (Ayala spricht im selben Buch (p. 263) von 1.900.000 beschriebenen und benannten Arten ("About 400,000 species of plants and 1,500,000 species of animals have been described and named, but the census is far from being complete.")
Newell 1982, p. 125:
After more than two centuries of exploration the number of described living species is now placed at around 1.7 million. [455,000 plant- and 1,269,400 animal-species = 1,724,400 species]
Osche 1981, p. 803:
Leben tritt uns auf unserer Erde in einer sehr großen Mannigfaltigkeit gegenüber. Während es im Bereich des Anorganischen z. B. nur 2.000 verschiedene Minerale gibt, von denen gar nur 10 häufiger vorkommen, sind bisher etwa 1,5 Millionen Tier- und über 400 000 Pflanzenarten beschrieben, und jährlich werden noch neue dazu entdeckt.
Autrum 1987, p. 43:
Die Zoologie allein kennt heute etwa 2 Millionen Tierarten (die Botanik 300 000 Pflanzenarten) ...
Ehrendorfer 1983, p. 484:
Gegenwärtig dürften über 500 000 Pflanzen- und mehr als 2 Millionen Tierarten die Lebensräume unserer Erde bevölkern.
Mayr 1979, pp. 235, 236:
Nur wenige Menschen, die sich nicht von Berufs wegen mit der Taxonomie beschäftigen, haben überhaupt die geringste Vorstellung davon, wie gewaltig die biologische Diversität ist. Mehr als eine Million Tierarten und fast eine halbe Million Pflanzenarten sind bereits beschrieben worden. Unsere Kenntnisse sind jedoch äußerst ungleichmäßig. Jedes Jahr werden im Durchschnitt nur ungefähr drei neue Vogelarten beschrieben. Ein sehr kleiner Zuwachs zu den 8.700 (W.-J. Bock gibt 1982, p. 967 die Zahl der Vogelarten mit 9.021 an; Kuhn 1965, p. 13 mit 8.650 Neospezies.) bereits registrierten Arten. Ganz anders sieht es bei einigen anderen Gruppen aus. Ich erinnere mich noch an die Zeit, als in der genetischen Literatur viele Arbeiten publiziert wurden, in denen der Name des untersuchten Organismus lediglich mit Drosophila angegeben war. Man ging stillschweigend davon aus, dies sei gleichbedeutend mit D. melanogaster. Heute sind mehr als tausend Drosophilaarten (Dobzhansky et al. sprechen 1977, p. 186 von 1250 described species", I. R. Bock erwähnt 1984. p. 42, "annähernd 1500 beschriebene Arten".) bekannt, und in den letzten 17 Jahren wurden fast ebenso viele neue Arten entdeckt wie in den 170 Jahren vor 1950. Noch eine andere Statistik möchte ich hier anführen. Von einer Milbengruppe der Familie der Trombibulidae weiß man heute, dass sie als Überträger des Japanischen Flußfiebers und anderer Rickettsiosen für die Medizin von großer Bedeutung sind. Im Jahre 1900 waren lediglich drei Arten bekannt, 1912 33, 1952 517 und 1966 rund 2 250. Man schätzt, dass mehrere hunderttausend Milbenarten in den verschiedenen Familien dieser Ordnung noch beschrieben werden müssen. Wie groß die Gesamtzahl aller Tierarten ist, weiß niemand. Es können 3 Millionen sein, 5 Millionen oder sogar 10 Millionen.
W. - J. Bock spricht 1982, p. 1067, von der
"tremendous diversity of 2 million described species of living organisms, with that many or more still unknown..."
White 1978, pp. 347/348, spricht von 10.000.000 Arten:
It has been stated by several authorities that the number of described species of animals is about a million and a quarter, of which about 800,000 to 900,000 are insects. But this is clearly far short of the actual number that exists. In the first place, this total takes little or no account of sibling species that are now being discovered in group after group, as they come under scruteny of cytogeneticists, biochemists, and other specialists employing modern techniques. Second, it is clear that in the tropics, where the greatest species diversities exist, less than half (perhaps less than a quarter) of the total number of species of insects and other terrestrial arthropods have been described. C. B. Williams (1960) presented some evidences that a total number of insects in the world may be approximately three million (a low estimate would be two million, a high one five million). But even these estimates are of clearly distinguishable morphospecies, recognizable by a museum taxonomist using conventional criteria. If the total estimate included all sibling species, which are the real biological entities, the figure might be almost twice as great.
Comparable estimates for the plant kingdom are not readily available, but there can be no doubt that large numbers of species of fungi and algae remain to be discovered. A figure of ten million for all forms of life does not seem unreasonable.
May glaubt 1986, p.514, dass über 10.000.000 Arten existieren.
Darüber hinaus rechnet er mit mindestens 1 Mikroparasitenart pro Spezies, - macht mehr als 20.000.000 Arten. Erwins Berechnungen auf 30.000.000 Arten (1980/1983) hält May möglicherweise für richtig. Mit dem Mikroparasitenansatz ergäbe das 60.000.000 Spezies!
Die Angabe von 30.000.000 Organismenarten scheint sich in neuester Zeit zunehmender Beliebtheit zu erfreuen. Mir ist sie schon in populärwissenschaftlicher Literatur (Wigand 1987) und auf einer wissenschaftlichen Tagung begegnet: Beim Kölner Spring Meeting (Genetikerkongress) sprach der Cambridger Molekularbiologie G. Dover am 28.2.1986 von 30 Millionen Insektenarten, davon 5.000 Drosophila-Spezies. - Weitere Zahlen: Spektrum der Wiss., Nov. 1989, p. 88; Nature 347, 237 (1990).
Warum die Angaben qualifizierter Autoren so stark differieren, sei zunächst dahingestellt. Fest steht, dass das Leben - trotz der derzeitigen Bedrohung durch Menschen - in einer ungeheuren Mannigfaltigkeit der Formen und Arten auf unserer Erde vorhanden ist. Die Frage nach dem Ursprung dieser Mannigfaltigkeit formulieren und beantworten Luria, Gould und Singer so (1981, p. 572):
Why are there so many kinds of organism and why are they so varied, yet evidently organized into groups of similar forms? These ancient questions have two potential resolutions. Either all species were created as we find them, and the relationships among them, reflect the creators opinion about how the world should be organized, or all species have descended naturally from a common ancestor, and the relationships among them reflect patterns of genealogical proximity on an evolutionary tree. The recognition that the second solution is correct was perhaps the greatest achievement of nineteenth century science. It also instigated one of the most profound intellectual revolutions in Western history.
Diese Alternative impliziert einen objektiven Artbegriff. Wieweit das gerechtfertigt ist, wollen wir anhand mehrerer Beispiele diskutieren.
WIEVIELE PFLANZEN- UND TIERARTEN GIBT ES HEUTE?
Folgende Zahlen werden von zeitgenössischen Autoren genannt:
1 700 000
1 900 000
2 000 000
2 500 000
3 000 000
4 000 000
5 000 000
8 500 000
ODER 10 000 000
ODER 15 000 000
ODER 20 000 000
ODER 30 000 000
ODER 35 000 000**
ODER 60 000 000***
ODER 70 000 000***
ODER DOCH 100 000 000 UND NOCH MEHR (WIE MANCHMAL ZU HÖREN IST)
So viel Leben...*
Etwa 1,5 Millionen verschiedene Arten auf dieser Erde sind bereits bekannt und wissenschaftlich beschrieben. Weitere drei bis sieben Millionen verschiedene Tierarten dürften, nach Ansicht von Fachleuten, noch zu entdecken sein. Der größte Teil davon in den tropischen Regenwäldern, die durch Abholzung vielleicht schon ganz verschwunden sein werden, bevor alle ihre Schätze gehoben sind.
Lebensformen |
Zahl der bekannten Arten |
Geschätzte totale Artenzahl |
Insekten und andere Gliederfüßler |
874 181 |
30 Millionen Arten (geschätzt nach Untersuchungen in den Urwäldern Panamas); die meisten vermutet man in tropischen Wäldern |
Höhere Pflanzen (z.B. Blumen, Bäume etc.) |
248 400 |
Ca. 275 000 bis 400 000; mindestens 10 bis 15 Prozent aller Pflanzen gelten noch als unbekannt. |
Wirbellose Tiere (ohne Insekten u.a.) |
116 873 |
Die Artenzahl geht sicher in die Millionen: Fadenwürmer u.a. mögen allein jeweils mehr als 1 Million Arten umfassen. |
Niedere Pflanzen (Pilze und Algen) |
73 900 |
Keine Schätzungen. |
Mikroorganismen |
36 600 |
Keine Schätzungen. |
Fische |
19 056 |
21 000; ca. 10 Prozent der Fische hält man für noch unentdeckt; allein im Amazonas und im Orinoko etwa 2 000 Arten |
Vögel |
9 040 |
Ca. 98 Prozent aller Arten dürften bekannt sein. |
Reptilien und Amphibien |
8 962 |
Mindestens 95 Prozent der Arten sind bekannt. |
Säugetiere |
4 000 |
Mindestens 95 Prozent der Arten sind bekannt. |
*Aus: "Ein Herz für Tiere", Mai 1988; Quelle: Worldwatch Paper - On the Brink of Extinction: Conserving the Diversity of Life - Worldwatch Institute Washington.
**Geschätzt für Insekten und Wirbellose nach eben zitierter Quelle.
*** Abgeleitet.