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Einwände von T. H. :

 

T. H. (Kommentar* zu einer Zusammenfassung des ersten Kapitels "H. von Ditfurth und der Lederbergsche Stempelversuch"): "Es ging Hoimar v. Dithfurth bei der Beschreibung des Lederberg-Versuchs überhaupt nicht um Mikro- oder Makroevolution,..."

W.-E.L.: Es ging H.v.D. beim Evolutionsthema immer und ausschließlich um die postulierte Gesamtevolution (und damit um die Makroevolution), die er im neodarwinistischen Sinne und mit dem Anspruch auf absolute Richtigkeit vertreten hat, ja - man kann schon sagen - mit einer den Zeitgeist widerspiegelnden totalitären Dogmatik, an der "heute kein vernünftiger Zweifel mehr" möglich sei (siehe unten). Dieses Anliegen kommt schon im ersten Satz des Kapitels 14 "Evolution im Laboratorium" seines Buches "Im Anfang war der Wasserstoff" zum Ausdruck, wenn er schreibt (1999, p. 230):

"Wenn man das Phänomen der Evolution experimentell untersuchen will, braucht man dazu eine sehr große Zahl lebender Organismen und einen Zeitraum von mehreren Generationen."

Es ging ihm um "das Phänomen der Evolution" (Makroevolution) schlechthin. Dabei hat er die wissenschaftlich notwendige Differenzierung in Mikro- und Makroevolution jedoch nie vorgenommen, denn das hätte seinem Anliegen massiv im Wege gestanden: Er hat vielmehr mit der von ihm geschilderten Mikroevolution samt seinen Fehlinterpretationen (alle Details dazu siehe die vorigen Kapitel) immer und grundsätzlich auch den Modus der Gesamtevolution (d.h. also der Makroevolution) impliziert, - von Mikroben bis zum Menschen. Für ihn war der Modus der Mikroevolution = Modus der Makroevolution = Modus der Gesamtevolution.

Ich habe in den vorhergehenden Kapiteln nun argumentiert, dass man von den mit Selektionsvorteilen verbundenen Genfunktionsverlusten und neutralen Substitutionen der Lederberg- (und weiterer) Versuche nicht ohne weiteres auf den Ursprung aller genetischen Information und aller Lebensformen schließen kann. D.h., dass eine Differenzierung in Mikro- und Makroevolution wissenschaftlich zwingend notwendig ist. Mit der naturwissenschaftlich begründeteten Differenzierung in Mikro- und Makroevolution (begrenzte Mikroevolution ist nicht gleich [nahezu] unbegrenzte Makroevolution) erweist sich H.v.D.s neodarwinistische Theorie als Gesamterklärung der Evolution (Makroevolution) jedoch als falsch. (Vgl. dazu auch die ausführliche Diskussion zur Entstehung des Wasserschlauch-Fangmechanismus' als Beispiel für zahlreiche ähnlich komplexe Fälle: Utricularia.html und weiter, wie in den daran anschließenden Kapiteln die neodarwinistischen Rettungsversuche eines H.v.D.-Fans an den biologischen Tatsachen gescheitert sind, so dass er die Theorie für solche [Makroevolutions-]Fragen inzwischen aufgegeben und durch eine noch fragwürdigere synergistische Hypothese ersetzt hat.)

T.H.:"...sondern einzig und allein um die grundsätzliche Klärung der Frage, ob durch zufällige, ungerichtete Mutationen neue zweckmässige Lebensfunktionen entstehen können."

W.-E.L.: "...einzig und allein" ist nicht zutreffend: Es ging ihm, wie oben zitiert, in erster Linie um "das Phänomen der Evolution" überhaupt. Und das wollte er mit Mutation und Selektion im Sinne des Neodarwinismus als vollständig erklärt wissen. So bemerkt er zum Thema Mutation und Selektion (1999, p. 253):

"So unglaublich es auch immer von neuem erscheinen mag, daß ein scheinbar so einfacher Mechanimus genügen sollte, um die Vielfalt der existierenden Lebensformen, das Kommen und Gehen der verschiedensten, immer neuen Arten zu erklären, so ist heute kein vernünftiger Zweifel mehr daran möglich, daß es sich so verhält."

H.v.D. suggeriert seinen Lesern geradezu ein, dass an seinen Aussagen zum Thema Ursachen der Evolution (Makroevolution) "heute kein vernünftiger Zweifel" mehr möglich sei (in der Anmerkung 30 führt er dazu weiter die Schrift von Konrad Lorenz "DARWIN HAT RECHT GESEHEN" auf sowie sein Buch "KINDER DES WELTALLS").

Von seiner Überzeugung und seinem Anliegen her wollte und musste er also die Frage bejahen, "ob durch zufällige, ungerichtete Mutationen neue zweckmässige Lebensfunktionen entstehen können".

Die von H.v.D. im Kapitel 14 (Evolution im Laboratorium) beschriebenen neuen Lebensfunktionen sind jedoch nicht neu, sondern schon so alt wie die Spezies selbst (Details siehe vorige Kapitel), und die Zweckmäßigkeit ist - in der Regel unter Genfunktionsverlusten - an die spezifischen phagen- und antibiotika'verseuchten' Umwelten gebunden, so dass sich in normalen Umwelten nichtresistente Linien wieder durchsetzen.

H.v.D.s Beweise für sein Postulat der neodarwinistischen Gesamtevolution, an der "kein vernünftiger Zweifel" mehr möglich sein soll, sind hier (und an anderen Stellen) nicht stichhaltig!

T.H.: "Der oben beschriebene Versuch mit Staphylokokken-Bakterien wurde nur deswegen erwähnt, weil durch die rasche Generationsfolge von Bakterien (ca. 20 Minuten z.B.) und die hohe Anzahl der Organismen das Auftreten von Mutationen eben sehr rasch nachgeprüft werden kann.

W.-E.L: Der oben beschriebene Versuch wurde überhaupt nicht mit Staphylokokken durchgeführt, sondern mit Escherichia coli (vgl. die Details im ersten Kapitel - was zeigt, dass H.v.D. den Versuch nicht gründlich recherchiert hat)!

Richtig ist jedoch, dass man das Auftreten bzw. Vorhandensein von Resistenz- (und vielen anderen) Mutationen "durch die rasche Generationsfolge von Bakterien (ca. 20 Minuten z.B.) und die hohe Anzahl der Organismen" sehr rasch nachprüfen kann.

Das Grundanliegen H.v.D.s konnte damit jedoch nicht bestätigt werden. Vgl. weiter Mutationen: Das Gesetz der rekurrenten Variation.

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*Der Kommentar fand sich von August 2000 bis November 2001 im Internet by Amazon als Antwort auf meine Sachkritik zu H. von Ditfurths Buch "Im Anfang war der Wasserstoff." Im November 2001 wurden sowohl meine Buchbesprechung als auch T.H.s Antwort darauf entfernt. Ein neuer Leserkommentar empfiehlt das Buch jetzt für den Weihnachts-Gabentisch.

 

 

Begeisterter Kommentar zu den vorigen Kapiteln

Ich fand diese Diskussion sehr interessant, zumal ich das Argument "der neu entstandenen Gene und Proteine" schon sehr oft gehört habe. Es scheint ja allgemein anerkannt zu sein, daß es diese "neuen Gene und Proteine " gibt und sie praktisch bei jedem Organismus nachweisbar sind, und als Grund bzw. als Beweis für Makro-Evolution anerkannt werden.

Jedenfalls habe ich diese Argumentation bei einem Großteil meiner Kommilitonen und Professoren schon gehört.

Ich finde es echt super, daß du dich damit bzw. mit den Vertretern dieser Theorie auseinandersetzt und die Dinge richtigstellst!

Es ist wirklich so, daß man selbst als Biologiestudent nicht immer nachprüfen kann, ob diese "eindeutigen Argumente" für Makroevolution tatsächlich schon an diversen Beispielen bewiesen worden sind oder eben nicht!  Im allgemeinen habe ich sowieso festgestellt, daß z.B. Diskussionen zum Thema Artbegriff eher mit Philosophie als mit Wissenschaft zu tun haben. Das scheint, glaube ich, aber auf das gesamte Thema der Evolution zuzutreffen.

A.B. (Biologiestudentin)


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