Unter der Rubrik Wissenschaft und Technik war im Nachrichtenmagazin Der Spiegel - Ausgabe Nr. 16 vom 14.4.2003, Seite 114 - Folgendes zu lesen:
BIOLOGIE
Forscherposse um die Schöpfung
Dürfen Naturwissenschaftler an einen schlauen Schöpfer glauben? Um diese Frage wird unter deutschen Biologen derzeit eine Posse aufgeführt. Wolf-Ekkehard Lönnig ist ein respektierter Genetiker am Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung (MPIZ) zu Köln. Er studiert Löwenmäulchen und übt sich auch in theoretischer Biologie. Lange bereits ist er Anhänger der Intelligent-Design-Theorie. Diese postuliert, das Leben sei ein zu komplexes Phänomen, um als bloßes Zufallsprodukt erklärlich zu sein - also müsse da ein intelligenter Baumeister mitgeschraubt haben. Obwohl Lönnigs Weltsicht die Evolutionslehre in Zweifel zieht, durfte er sie jahrelang auf der MPIZ-Homepage kundtun. Der Kasseler Biologe Ulrich Kutschera jedoch hält Lönnigs Thesen für "pseudowissenschaftliche Ideologien". So lange hat er gegen ihre Veröffentlichung gestänkert, bis das Kölner MPIZ Lönnigs Internet-Seiten bis auf Weiteres sperrte. Ende April wollen die vier MPIZ-Direktoren gemeinsam mit ihrem langjährigen Mitarbeiter über das endgültige Schicksal der Homepage beschließen. Zumindest Heinz Saedler, einer der Direktoren, macht sich schon jetzt für die freie Meinungsäußerung stark. "Seit 20 Jahren diskutiere ich mit Lönnig", so Saedler. "Ich teile seine Meinung nicht, finde seine Argumente aber immer wieder spannend." Die derzeit verbotene Homepage stößt offenbar auf Interesse: In den letzten 5 Jahren wurde sie 35 000-mal aufgerufen.
Nature 422, 460 (03 April 2003)
Axeing of website article sparks row at
Max Planck
ALISON ABBOTT
[Numbers and comments below by Wolf-Ekkehard Lönnig.]
[MUNICH] The Max Planck Institute for Plant Breeding Research in Cologne has removed the detailed description of 'intelligent design' from its website, following complaints from scientists that it was inconsistent with the laboratory's scientific mission [1].
The article, which was posted by Wolf-Ekkehard Lönnig, a theorist [2] at the institute, discusses the idea that an intelligent force must be responsible for the origin of the Universe and for the diversity of life forms. Known as intelligent design, this theory rejects natural selection [3], and has been portrayed by its opponents as a 'front' for creationism (see Nature 416, 250; 2002) [4].
Earlier this month, Peter Gruss, president of the Max Planck Society, asked the four directors of the Cologne institute to provide a scientific justification for Lönnig's pages [5]. Lönnig posted the material five years ago, and the site has since received over 35,000 hits. A disclaimer identifying the article as a personal opinion was added in 2001, following earlier complaints [6].
"Only scientific issues should be discussed on a Max Planck site," says Gruss [7]. And last week, Lönnig's pages were removed from the institute's site, pending a directors' meeting on 28 April to determine their fate.
Ulrich Kutschera, an evolutionary biologist at the University of Kassel, has campaigned against the presence of the material on an official Max Planck website, branding it "pseudoscience" [8]. "It is fine as a personal opinion expressed on a personal website, but not on the official site of a scientific organization of international status," he says.
Many evolutionary biologists share Kutschera's concerns: Axel Meyer of the University of Constance, for example, says that he was "shocked" by the contents of the pages. But others, such as Diethard Tautz at the University of Cologne [9] and Svante Pääbo at the Max Planck Institute for Evolutionary Anthropology in Leipzig [10], are more circumspect, saying that independent opinions should be permitted. Tautz, however, says it might be more appropriate for such opinions to be aired at "an institute of philosophy" than at the Max Planck.
Lönnig is displeased by the removal of his discussion. "No one is happy when someone switches off the information flow of what he thinks is right," he says. And Heinz Saedler, one of the institute's directors, who has supported Lönnig and published jointly with him, says that although he doesn't believe in intelligent design himself, he enjoys discussing it with Lönnig.
Comments by Wolf-Ekkehard Lönnig
[1] The complaints were lodged without any scientific arguments; see the details under Kutscheras Verbotsversuche and Kritik zu Hölldobler.
[2] I am a geneticist and I have examined more than 1 and 1/2 million plants during the last 25 years; - yes, I am also a theorist.
[3] This is not correct; see the details under Natural Selection.
[4] ID is not creationism; see the details under Rezension.
[5] President Peter Gruss should perhaps better have asked for any scientific reasons and objections of the persons who lodged the complaints against the scientific arguments and facts given on my homepage.
[6] There was a disclaimer from the very beginning.
[7] I am convinced that the question of the origin of species is a scientific issue.
[8] It is easy to insult an unwelcome scientific critique of one’s pet hypothesis as “pseudoscience”. However, it is much more difficult to meet a scientific critique on the scientific level. If the latter point is missing – who is producing pseudoscience?
[9] In the interim (8 October 2003) I was invited to give a seminar on the topic IS INTELLIGENT DESIGN AN OPTION FOR THE ORIGIN OF SPECIES? at the Institute for Genetics of the University of Cologne. On 20 November 2003 I had the privilege to give a similar talk at the MPIZ.
[10] It is encouraging to see that there are still several biologists who do not want to prohibit the scientific critique of a ruling paradigm as Kutschera and Hölldobler are trying do do.
Laborjournal 04/2003
[Eckige Klammern und Anmerkungen dazu wieder von WEL.]
Max-Planck-Gesellschaft
Schluss mit Kreationismus[1]
Die lebhafte Debatte zwischen „Evolutionisten“ und „Kreationisten“ auf den Internetseiten des Max-Planck-Instituts für Züchtungsforschung (MPIZ) in Köln ist seit Ende März rigoros beendet. Wie Nature berichtete (Bd. 422, S. 460), wurde eine entsprechende Website von der offiziellen MPIZ-Homepage bis zur endgültigen Entscheidung der Direktoren über ihr Schicksal Ende April gelöscht.
„Vater“ dieser Seiten ist der Theoretiker [2] Wolf-Ekkehard Lönning [3] [Lönnig], ebenfalls am MPIZ tätig, der sie vor fünf Jahren dort einrichtete. Er propagierte darin die Idee, dass eine „intelligente Kraft“ verantwortlich sei für den Ursprung des Universums und die Entstehung unterschiedlicher Lebensformen. Die Theorie des „Intelligenten Designs“, die vor allem in den USA viele Anhänger hat, schließt damit die Evolution an sich und das Wirken der natürlichen Selektion aus [4].
Unter experimentellen Evolutionsbiologen [5], wie etwa Ulrich Kutschera aus Kassel oder Axel Meyer aus Konstanz, regte sich heftiger Widerspruch. Nature zufolge lehnen sie eine entsprechende Internetseite auf der Instituts-Homepage mit der Begründung ab, dass solche „Pseudowissenschaft“ [6] auf den offiziellen Seiten einer Forschungseinrichtung wie dem MPI fehl am Platz wäre. Dort sollten nur wissenschaftliche Beiträge veröffentlicht werden, so auch der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, Peter Gruss.
Andere Wissenschaftler hingegen, wie etwa Diethard Tautz von der Uni Köln oder Svante Pääbo, Direktor am MPI für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, würden die Veröffentlichung unabhängiger Meinungen auf den Institutsseiten jedoch durchaus tolerieren. Auch wenn sie in diesem konkreten Fall vielleicht besser an einem Institut für Philosophie untergebracht wären, wie Tautz Nature sagte.
Auch der Kölner MPIZ-Direktor Heinz Saedler, der mit Lönning [Lönnig] publiziert hat, scheint nicht überzeugt von der Maßnahme. Er glaubt selbst nicht an „Intelligentes Design“, hat die erfrischenden Diskussionen jedoch genossen, wie er mitteilte. – PST –
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[1] Wenn schon, dann müsste die Überschrift richtig heißen: „Schluss mit Intelligent Design“. Es erscheint mir übrigens ausgesprochen aufschlussreich, dass Evolutionstheoretiker, die sich in aller Regel ganz entschlossen gegen die Typologie in der Biologie wenden, selbst immer wieder mit typologischen Begriffen arbeiten (hier mit dem für meinen Fall unangebrachten Begriff „Kreationismus“).
[2] Vgl. Anmerkung zum Nature-Artikel oben.
[3] "Lönning" ist die häufigste Fehlschreibung meines Zunamens.
[4] Vgl. dagegen (wieder) meinen Beitrag zum Thema Natural Selection.
[5] Das ist der unrichtige Versuch einer wertenden Polarisierung: Hier der „Theoretiker“ Lönnig, dort die „experimentellen Evolutionswissenschaftler“ Kutschera und Meyer. Mit meinen mehr als eineinhalb Millionen bearbeiteten Pflanzen zu mutationsgenetischen Fragestellungen in den letzten 25 Jahren ist die Beschränkung auf den Theoretiker falsch.
[6] Vgl. dazu die wissenschaftlich argumentationslose Kampagne Kutscheras gegen meine Institutsseite.