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FACTUM-INTERVIEW

(Factum 23. Jahrgang, Nr. 4, Juli 2003, pp. 38/39)*

“Fühle mich gründlich missverstanden“

Wolf-Ekkehard Lönnig über die Sperrung seiner wissenschaftlichen Arbeiten auf dem Instituts-Server.

FACTUM: Herr Dr. Lönnig, wie fühlen Sie sich nach dem MPIZ-Entscheid, Ihre evolutionskritischen Arbeiten seien auf dem Instituts-Server “nicht akzeptabel”?

LÖNNIG: Meine Instituts-Library mit mehreren evolutionskritischen und biologiehistorischen Arbeiten - ausgedruckt zuletzt mehr als Tausend Seiten - stand mit Genehmigung des Instituts etwa fünfeinhalb Jahre auf dem MPIZ-Server. Seit Februar letzten Jahres hat Ulrich Kutschera vom Deutschen Biologenverband, nach eigener Aussage ein „überzeugter Atheist“ und Vertreter der Synthetischen Evolutionstheorie, eine Kampagne gegen die Existenz der Library auf diesem Server geführt. Da Herr Kutschera jedoch keinerlei naturwissenschaftliche Argumentation gegen meine Arbeiten aufführte, wurden seine Schließungsanträge zunächst abgelehnt.

FACTUM: Was führte jetzt trotzdem zur Sperrung?

LÖNNIG: Die Kampagne erhielt in den letzten Monaten durch Einbeziehung der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina (der 1652 gegründeten ältesten naturforschenden Gesellschaft) durch Bert Hölldobler, Würzburg, und des internationalen Publikums durch einen angekündigten NATURE-Artikel eine neue Dimension. Dieser Druck führte zu einer vorläufigen Sperrung meiner Instituts-Library. NATURE, SPIEGEL und das LABOR-JOURNAL berichteten über die Sperrung, die zunächst bis zu einem endgültigen Entscheid des Direktoriums Ende April aufrecht erhalten werden sollte.

Zur Berichterstattung in den erwähnten Journalen und später auch in der ZEIT ist anzumerken, dass nach Sperrung meiner Homepage keiner der Autoren die Möglichkeit hatte, die Seiten beim Verfassen ihrer Artikel einzusehen. Mit anderen Worten: Kaum jemand wusste, wovon er eigentlich sprach.

FACTUM: Dann fiel der Entscheid des Direktoriums – gegen Sie. Können Sie die Begründung nachvollziehen?

LÖNNIG: Am 28. April 2003 fiel die Entscheidung, dass meine Internet-Library in dieser Form nicht mehr akzeptabel sei. Der öffentlich erhobene Haupteinwand, der in der ZEIT wiedergegeben wurde, „wir hätten uns lächerlich gemacht, würden wir diese Verquickung von wissenschaftlich abgesicherten Befunden und persönlicher Meinung weiterhin auf unseren Sites dulden“ wurde auch nach meiner wiederholten Anfrage nicht mit konkreten Beispielen belegt.

FACTUM: Ihnen wird die Vermischung von Fakten und Deutungen vorgeworfen.

LÖNNIG: Dabei ist die Verquickung von wissenschaftlichen Tatsachen und persönlichen Deutungen gerade in der Evolutionsbiologie seit rund hundertfünfzig Jahren alltägliche Praxis. Genau diesen Punkt habe ich an mehreren Beispielen in meiner Instituts-Library erläutert. Als vielleicht neuestes Beispiel kann ich Herrn Kutscheras Erklärung des Utricularia-Fangapparates in dem schon erwähnten ZEIT-Artikel zitieren: Ohne auch nur ein einziges naturwissenschaftliches Argument zu den völlig ungelösten Evolutionsfragen zu liefern, zählt er den Wasserschlauch „gerade wegen seiner bizarren Freßkünste zu den Paradebeispielen – für die Kräfte der Evolution“.

Anstatt die Entstehung solcher Beispiele durch Mutation und Selektion im Detail zu belegen und meine Einwände zu widerlegen, versuchen meine Kritiker immer wieder, das Publikum von der eigentlichen biologischen Fragestellung abzulenken, indem sie just an dem Punkt, an dem die entscheidenden evolutionstheoretischen Argumente aufzuführen wären, meine Zugehörigkeit zur Religonsgemeinschaft der Zeugen Jehovas hervorheben (vgl. den Zeitartikel). Das geschieht häufig in der Absicht, die Argumentationslücken in der Synthetischen Evolutionstheorie durch Ablehnung, Vorurteile und Missverständnisse – mitbedingt durch unsachliche Darstellungen in den Medien – zu meiner Religionsgemeinschaft zu überbrücken.** Beim Leser soll zudem der Eindruck erweckt werden: Lönnig ist religiös motiviert. Daher sind seine Beiträge grundsätzlich entweder fragwürdig oder falsch. Es bedarf jedoch keiner weiteren Ausführungen, dass für die Beurteilung der wissenschaftlichen Richtigkeit meiner Beiträge die Religionszugehörigkeit völlig irrelevant ist. 7 x 7 ist 49, ob man nun Jude, Muslim, Protestant, Katholik oder Jehovas Zeuge ist.

FACTUM: Gerade unter den Naturwissenschaftlern ist der Anteil der Schöpfungssympathisanten höher als in anderen wissenschaftlichen Disziplinen.

LÖNNIG: Es ist in diesem Zusammenhang für mich auch ganz erstaunlich, dass meine Kritiker scheinbar nie auf den entgegengesetzten Gedanken kommen: Wenn zahlreiche Naturforscher allein auf Grund ihrer naturwissenschaftlichen Forschungen und Untersuchungen der Gesetzlichkeiten der Materie und des Lebens zur Erkenntnis gekommen sind, dass die Natur von einem genialen Urheber und Gesetzgeber zeugt, dann könnte die religiöse Frage ja auch nachgeordnet sein. - Lassen Sie mich bitte als Kernpunkt zu den Angriffen auf meine Person im Zusammenhang mit meiner Konfession zusammenfassend noch Folgendes hervorheben: Genausowenig wie es jemals eine „jüdische Physik“ gegeben hat (die Nationalsozialisten haben mit diesem Begriff versucht, die Relativitätstheorie und Bereiche der Quantentheorie in Frage zu stellen), genausowenig gibt es eine „Bibelforscher-Biologie“.

Kurz: Ich fühle mich gründlich missverstanden.

FACTUM: Künftig will das MPIZ ein Zensurkomitee einsetzen, das sämtliche Online-Publikationen der Mitabeiter unter die Lupe nimmt. Sie dürften wohl kaum Mitglied in diesem Komitee werden, da Ihre Gesinnung als wissenschaftlich unrein gilt...

LÖNNIG: Es ist unwahrscheinlich, dass ich in das „Zensurkomitee“, wie Sie es nennen, berufen werde.

FACTUM: Die Antwort auf die Frage „Dürfen Naturwissenschaftler an einen intelligenten Schöpfer glauben?“ wird in Deutschland offenbar mit „nein“ beantwortet, es sei denn, man verstecke seine Überzeugung. Ist die Naturwissenschaft ein Gebiet für Atheisten geworden?

LÖNNIG: Auch nach neueren Untersuchungen in den USA glauben etwa 40 % der Biologen an Gott (zu Details vgl. Hans Krause).

Die Zelle 1, Kapitel 1). In Europa dürfte die Prozentzahl geringer ausfallen.** Aufgrund einseitiger Information an Schulen und Universitäten im Sinne der ausschließlichen Gültigkeit der Synthetischen Evolutionstheorie hält die überwiegende Mehrheit der Biologen die Frage nach dem Ursprung der Lebensformen durch die Mutations-Selektions-Theorie für endgültig beantwortet. Naturwissenschaftlich begründete Einwände gegen die Theorie sind meist völlig unbekannt. Überdies erfordert die Anerkennung solcher Einwände in aller Regel ein starkes Umdenken für die betroffenen Biologen.

Damit die Naturwissenschaft auch wieder ein Gebiet für „Theisten“ werden kann, bedarf es einer umfassenden öffentlichen Aufklärung über das gesamte Ausmaß der naturwissenschaftlichen Tatsachen und Argumente, die gegen die herrschende Evolutionstheorie sprechen. Fernseh-Live-Diskussionen könnten dazu beitragen. Wenn jedoch Evolutionisten, statt eine offene Diskussion zu führen, meine Instituts-Library sperren, dann wird sich der Leser wohl fragen, auf welcher Seite tatsächlich die besseren Argumente liegen.

FACTUM: Welche Lehren ziehen sie daraus. Werden Sie ihre private Homepage ausbauen?

LÖNNIG: Das MPIZ-Direktorium hat einstimmig beschlossen, dass es in Zukunft auch auf den offiziellen Seiten des Instituts eine Rubrik „Personal Opinion“ geben wird. Dort könne ich Ausführungen zu Intelligent Design vortragen und auch einen Link auf meine private Homepage setzen. Unter dieser privaten Adresse ist das gesamte „verbotene Material“ wieder abrufbar. Damit kann sich jeder selbst ein Urteil bilden, indem er u.a. den Ablauf der Kampagne, die zur Sperrung meiner Instituts-Library geführt hat, mitverfolgen kann. [Nachtrag: Zu weiteren Details vgl. Sie bitte den ausführlichen Kommentar zum ZEIT-Artikel.]

Aber naturwissenschaftlich viel wertvoller dürfte das Studium der zahlreichen biologischen Einwände gegen den Absolutheitsanspruch der herrschenden Evolutionstheorie sein.

FACTUM: Herzlichen Dank für das Gespräch.

Interview: Rolf Höneisen.

 

BOX (ebenfalls pp. 38/39)

ZUR PERSON: WOLF-EKKEHARD LÖNNIG

Am 1. Juni 2003 begeht Wolf-Ekkehard Lönnig sein 25. Arbeitsjahr als Mutations- und Transposongenetiker. Er forscht an der Universität Bonn und am Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung (MPIZ) in Köln. Unverhofft geriet der Pflanzenforscher in die Schlagzeilen. Am 30. April berichtete die „Zeit“ über den Beschluss des Direktoriums des MPIZ, seine evolutionskritischen Arbeiten vom Instituts-Server zu verbannen.

Lönnig sympathisiert mit der Intelligent-Design-Theorie und veröffentlicht dazu auch entsprechende Arbeiten im Internet. Weil diese Dateien auf einem Server des Max-Planck-Instituts standen, haben sich Vertreter des deutschen Biologenverbandes schon mehrmals ans MPIZ gewandt mit der Bitte, diese Seiten vom Server zu nehmen. Diesmal mit Erfolg. Dr. Lönnig darf künftig auf den offiziellen Webseiten des Instituts die Evolutionstheorie nicht mehr wie bis anhin in Frage stellen. "Wir hätten uns", sagt Paul Schulze-Lefert, geschäftsführender Direktor des Instituts gegenüber der „Zeit“ "lächerlich gemacht, würden wir diese Verquickung von wissenschaftlich abgesicherten Befunden und persönlicher Meinung weiterhin auf unseren Sites dulden."

Dr. Lönnig versteht diese Argumentation nicht: „Nach dem Drama um meine MPIZ-Homepage scheint mir der materialistische Fundamentalismus nicht weniger dogmatisch, intolerant und wissenschaftsfeindlich zu sein als der religiöse.“ [Das klingt wie eine Retourkutsche auf das vorhergehende Zitat, der Zusammenhang stammt jedoch nicht von mir. Anmerkung von WEL.] Statt seine naturwissenschaftlichen Einwände zur Synthetischen Evolutionstheorie zu diskutieren und zu widerlegen, habe man sie einfach verboten. [Vgl. jedoch dazu die Differenzierungen in der ZEIT-Analyse. Wieder Anmerkung von WEL] Seine Institutshomepage habe zum grössten Teil aus der Kritik an „einer Vermischung von wissenschaftlichen Tatsachen und persönlichen evolutionistischen Glaubenssätzen“ bestanden.

Zu seiner Motivation als Naturwissenschaftler zählt Wolf-Ekkehard Lönnig u.a. die „schlichte wissenschaftliche Neugierde“, die Faszination von der Unterschiedlichkeit der Baupläne der Pflanzen- und Tierwelt, sowie die Frage, wie diese Lebensformen entstanden sind. In diesem Zusammenhang zieht er neue Möglichkeiten des Ursprungs der Arten in Erwägung und kritisiert die vorherrschende Theorie. Dazu arbeitet er in wissenschaftstheoretischen Entwürfen die Grenzen des Reduktionismus heraus, die er dort sprengt, wo er für ein möglichst volles Verständnis des Ursprungs des Universums und der Lebensformen einen – wie er es mit Fred Hoyle – nennt „superintellect“ erkennt. Herausfordernd sind für Lönnig deshalb alle Fragen nach der Testbarkeit der Aspekte des Intelligent Design (das sind: irreducible complexity/nichtreduzierbare Komplexität, Unwahrscheinlichkeit/improbability, specification/Spezifizierung).

Im Gespräch mit „factum“ vertritt Wolf-Ekkhard Lönnig weder eine öffentliche noch eine private Institution, sondern seine persönliche Meinung. Lönnig gehört auch nicht zur Studiengemeinschaft Wort und Wissen, bewertet deren wissenschaftliche, evolutionskritische Entwürfe aber positiv. Was er nicht teilt, ist das kreationistische Junge-Erde-Modell und die entsprechende konservativ-theologische Basis.

Wolf-Ekkehard Lönnig wehrt sich gegen jede Zensur im Bereich der Naturwissenschaften. Die Kategorisierung zur Vermeidung der Auseinandersetzung mit objektiven biologischen Gegebenheiten, bezeichnet er als „ideologischen Versuch, den Weg zu bedeutenden naturwissenschaftlichen Fragen zu verstellen“. (rh.)

Die vom MPIZ-Server verbannten Artikel stehen neu unter: http://www.weloennig.de/internetlibrary.html.

Weitere Webtipps:

http://www.we-loennig.de

"http://www.vdbiol.de/debatten/evolution/evolution.html" (INZWISCHEN VOM VERBAND DEUTSCHER BIOLOGEN (VDBIOL) SELBST GESPERRT – Vgl. Sie bitte dazu den aufschlussreichen Kommentar von Herrn Frieder Meis)

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*Die FACTUM-Redaktion ist für ihre Toleranz zu loben, Forschern wie Herrn Prof. Kutschera (FACTUM 1/2003, pp. 34-36) und mir das Wort zu erteilen, obwohl der Erstere diametral entgegengesetzte Auffassungen zum Thema Evolution vertritt und ich in vielen Punkten diametral entgegengesetzte Auffassungen in theologischen Fragen (so ist zum Beispiel bekannt, dass ich keineswegs das konservative Verständnis der FACTUM-Redaktion von sechs buchstäblichen Schöpfungstagen, der Trinitätstheologie, der unsterblichen Seele, der Höllenlehre usw. teile, die ich für biblisch nicht begründet halte). Natürlich steht eine evolutionskritische Haltung und Intelligent Design FACTUM näher als Kutscheras Auffassungen von der Evolution, dennoch war die FACTUM-Redaktion bereit, unsere unterschiedlichen theologischen Positionen mit meinem Hinweis auf die Vorurteile, Missverständnisse etc. zu meiner Religionsgemeinschaft wiederzugegeben.

**In einem Leserbrief nachgereicht (Factum Heft 5, p. 6 (2003); siehe auch die nächste Ausgabe zu weiteren Fragen.

 

 

 

 


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